Warum sollten wir süchtig nach Denken sein?
Weil du damit identifiziert bist. Das bedeutet, dass du dein Selbstgefühl aus dem Inhalt und den Aktivitäten deines Verstandes beziehst, weil du glaubst, es würde dich nicht mehr geben, wenn du zu denken aufhören würdest. Während du heranwächst, formst du dir ein geistiges Bild davon, wer du bist, und das basiert auf deiner persönlichen und kulturellen Konditionierung. Dieses Phantomselbst können wir mit Ego bezeichnen. Es besteht aus Verstandesaktivitäten und kann nur durch anhaltendes Denken in Gang gehalten werden.
Begriff Ego hat für unterschiedliche Menschen unterschiedliche Bedeutungen, aber wenn ich ihn hier benutze, bedeutet er ein falsches Selbst, erschaffen durch unbewusste Identifikation mit dem Verstand.
Für das Ego existiert der gegenwärtige Moment kaum. Nur Vergangenheit und Zukunft haben Bedeutung. Diese völlige Umkehrung der Wahrheit ist der Grund dafür, dass der Verstand auf der Ego-Ebene so krank ist. Er ist ständig damit beschäftigt, die Vergangenheit am Leben zu erhalten, denn ohne sie - wer bist du da überhaupt? Er versetzt sich selbst immer wieder in die Zukunft, um sein Überleben zu sichern und um dort eine Art von Befreiung und Erfüllung zu finden. Er sagt: "Eines Tages, wenn dies, das oder jenes geschieht, dann wird es mir gut gehen und ich werde glücklich sein, in Frieden." Selbst wenn sich das Ego scheinbar um die Gegenwart kümmert, nimmt es die Gegenwart nicht wahr: Das kann es auch gar nicht, weil es sie durch die Augen der Vergangenheit betrachtet. Oder es benutzt die Gegenwart als Mittel, um ein Ziel zu erreichen, das immer in der vorgestellten Zukunft liegt. Beobachte deinen Verstand und du wirst sehen, dass es so ist.
Der gegenwärtige Moment enthält den Schlüssel zur Befreiung. Aber du kannst den gegenwärtigen Moment nicht finden, solange du der Verstand bist.
Ich möchte meine Fähigkeit zu analysieren und zu unterscheiden nicht verlieren. Gegen mehr Klarheit und mehr Fokus im Denken hätte ich nichts einzuwenden, aber meinen Verstand möchte ich nicht verlieren. Das Geschenk des Denkens ist die wertvollste Sache, die wir besitzen. Ohne es wären wir nicht mehr als ein Tier.
Die Vorherrschaft des Verstandes ist nichts weiter als ein Stadium in der Evolution des Bewusstseins. Es ist eine absolute Notwendigkeit, dass wir jetzt zur nächsten Phase weitergehen; andernfalls werden wir vom Verstand, der zu einem Monster herangewachsen ist, zerstört werden. Darüber werde ich im Detail später noch sprechen. Denken und Bewusstsein sind nicht synonym. Denken ist nur ein kleiner Aspekt des Bewusstseins. Gedanken können ohne Bewusstsein nicht existieren, aber Bewusstsein benötigt keine Gedanken.
Erleuchtung bedeutet, sich über die Gedanken zu erheben, sie bedeutet nicht, auf eine Ebene unterhalb der Gedanken zurückzufallen, auf die Ebene der Tiere oder Pflanzen. Im erleuchteten Zustand wirst du den denkenden Verstand immer noch benutzen, wenn nötig, aber auf wesentlich konzentriertere und effektivere Weise als vorher. Du benutzt ihn dann hauptsächlich für praktische Zwecke, aber du bist frei von dem unwillkürlichen inneren Dialog, und innere Stille ist gegenwärtig. Wenn du deinen Verstand dann gebrauchst, besonders zu Zeiten, wo eine kreative Lösung gefragt ist, dann schwankst du alle paar Minuten zwischen Gedanken und Stille, zwischen Verstand und Nicht-Verstand hin und her. No-mind ist Bewusstheit ohne Gedanken. Nur auf diese Weise ist kreatives Denken möglich, denn nur dann ist das Denken wirklich kraftvoll. Denken allein, nicht länger mit der Weite von Bewusstsein verbunden, wird schnell sinnlos, krank, zerstörerisch.
Der Verstand ist grundsätzlich eine Überlebensmaschinerie. In Angriff und Verteidigung gegenüber einem anderen Verstand, im Sammeln, Speichern und Analysieren von Informationen - darin ist er gut, aber er ist absolut nicht schöpferisch.. Willst du weiter hören? Schick mir mal eine kleine Nachricht an der Plattform:)