Die Empörung der AfD über das Gutachten des Verfassungsschutzes sagt weniger etwas über die Verfahren und deren Qualität.
Sondern viel über eine Partei, die eine ganz andere Republik will, aber keine robuste Gegenwehr mehr erwartet.
Seit gestern ist es amtlich: Der Verfassungsschutz stuft die gesamte AfD, bundesweit und nicht nur einzelne Landesverbände, als "gesichert rechtsextremistisch" ein.
Solch ein Diktum, das durch alle Instanzen legitimerweise beklagt und bestritten werden wird, muss umgehend Geschrei, Protest, Jubel oder Zweifel auslösen. Soweit gestern geschehen. Soweit alles normal.
Und doch macht staunen, wie sehr sich die Großen und die Kleinen in der AfD samt ihrer Vorfeld-Portale offenbar getroffen fühlen.
Sie bellen, anders kann man es nicht nennen. Sie bellen laut und erregt, und der deutsche Volksmund, den die AfD gern zitiert, sagt in solchen Fällen: Das tun getroffene Hunde.
Immerhin, könnte man aus Sicht der Verfassungsschützer und der Befürworter eines Verbotsverfahrens sagen.
Immerhin kann man die AfD aus ihrer Siegesgewissheit doch noch aufschrecken, aus ihrer Pose der schier unausweichlich heraufziehenden Macht,
die sie seit dem Erfolg bei der Bundestagswahl zelebriert. Immerhin kann man selbst die ausgebufften Spitzenkräfte der Partei noch dazu bringen,
nervös widersprüchliche Verschwörungstheorien aufzufahren, um mit einem Gutachten, das man ernsthafter Weise ja anders nicht erwarten konnte, emotional wie pseudointellektuell klarzukommen.
"Remigration", die millionenfache Abschiebung und Verdrängung von Menschen aus Deutschland,
galt als Begriff in der offiziellen AfD lange als zu extremistisch und war darum tabu,
zumindest an der Spitze auch noch Anfang 2024.
Ein Jahr später bekannte sich Alice Weidel im Wahlkampf mit Inbrunst dazu. Weil sie dachte, es schadet nicht mehr. Falsch gedacht.
Eine Diagnose wie vom Arzt
Da heißt es AfD- und Fan-seitig also, der Verfassungsschutz werde "politisch instrumentalisiert".
Nun, dieser Vorwurf ist durch nichts in der Sache belegt oder bewiesen. Er besteht lediglich aus dem Rückschluss vom missliebigen Ergebnis des Gutachtens auf sein vermeintliches Motiv.
In dieser imaginierten "Opfer-Logik" könnten die deutschen Verfassungsschützer dem Vorwurf, Büttel der "Kartell-Parteien" zu sein, nur dadurch entgehen, dass sie der AfD einen Persilschein ausstellen.
Oder durch Selbstauflösung, versteht sich. Im Interview mit RTL und ntv war Tino Chrupalla übrigens ganz kurz davor, genau das anzukündigen, wenn erst die AfD an der Macht sei. Was der Herrgott verhüten möge.
Ein weiterer Vorwurf, auf den ersten Blick nicht ganz so aus der Luft gegriffen, zielt darauf, dass der Verfassungsschutz seine 1100 Seiten Zitate- und Faktensammlung unter Verschluss hält.
Das ist in der Tat erklärungsbedürftig, und die Verantwortlichen in Regierung und Verfassungsschutz sind an dieser Stelle sträflich etwas schuldig geblieben, zumal ein guter Teil der 1100 Seiten (wie beim letzten Mal) eh aus öffentlichen Reden und Texten von AfD-Politikern besteht.