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Christian Schicha über Ethik in Bildern und Medien | Podcast Ethik Digital


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Wie bekommen wir die Ethik in die Bilder? Damit beschäftigt sich der Theologe Christian Schicha. Ein Gespräch über digitale Ethik - und wie wir mit Fake-Bildern, Künstlicher Intelligenz und der Flut der Bilder umgehen. Ein Podcast von Rieke C. Harmsen und Christine Ulrich.

Ethik in Fotos, Bildern und Medien
Welche Bilder über Katastrophen sollten wir in den Medien zeigen? Wie gehen wir mit Fake-Fotos um - und der schieren Masse von Bildern, mit denen wir täglich überflutet werden? Der Theologe Christian Schicha forscht über Bildethik. 


Bei

der Fussball-Europameisterschaft ist ein Spieler plötzlich
umgefallen und die Kameras wurden teilweise nicht abgestellt. Wie
bewerten Sie so eine Situation - als Zuschauer, aber auch als als
Medienethiker?

Schicha:

Ich bin Fussballfan, Rezipient und Betrachter wie jeder andere auch.
Aber ich sehe das natürlich auch aus der normativen Perspektive der
Bildethik. Bei den Bildern geht es um die Situation des Spielers als
Opfer und die Frage, wie wir damit umgehen. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass der Fußballspieler großen Wert darauf legt, dass
die Bilder weltweit gezeigt werden. Positiv zu bewerten war die
Reaktion der Mitspieler, die ihn umstellt haben, um ihn zu schützen.
Gleichzeitig vermittelten die Bilder auch, dass die Spieler aufgrund
der dramatischen Situation Situation persönlich betroffen waren.

Sollten

die Kameras also abgeschaltet werden?

Schicha:

Ich würde in solchen Fällen immer dafür plädieren, die Kamera
möglichst schnell wegzuziehen oder nicht draufzuhalten. Also weder
die Emotionen der Spieler noch die Emotionen der Fans im Stadion
zeigen, die sich zwar im öffentlichen Raum bewegen, aber emotional
teilweise auch fix und fertig waren. Natürlich ist Fussball ein
öffentliches Ereignis, über das berichtet werden muss. Aber so eine
Situation sollte nicht in Bildern festgehalten werden, weil diese
Bilder ewig weiter transportiert werden und auch die Angehörigen des
Spielers, die Freunde oder die Kinder des ständig damit konfrontiert
werden. Daher ist aus meiner Sicht in solchen Fällen Zurückhaltung
gefragt.

Sie

haben gerade ein Buch über Bildethik veröffentlicht. Welches sind
Ihre Erkenntnisse?

Schicha:

Das Buch versteht sich als Einführung ins Thema. Es ging nicht um
eine theoretische Abhandlung, sondern darum, das Thema komprimiert
und konzentriert zusammen zu fassen. Es handelt sich um ein
Grundlagenwerk, dass Interesse am bildethischen Fragen wecken sollte.

Sie

widmen sich dort auch dem Thema Bildbearbeitung. Was hat das mit
Ethik zu tun?

Schicha:

Bildbearbeitung gibt es schon lange - von Stalins retuschierten Fotos
bis zur digitalen Bildbearbeitung heute. Mir geht es um ethische
Fragen: Wann sind Bilder moralisch angemessen? Wie gehen wir um mit
Bildern von Prominenten? Wie ist das Verhältnis zwischen
öffentlicher

Relevanz

und Persönlichkeitsschutz? Und wer trägt die Verantwortung für die
Bilder: Der einzelne Fotograf oder die Redaktion? Sind nicht alle mit
verantwortlich, die solche Bilder anschauen? Sollten wir nicht selber
wegschalten oder zumindest darauf reagieren, wenn Bilder von
Verstorbenen, von Amokläufern, von Opfern gezeigt werden?

Im

Buch werden prominente Fotografen wie Robert Capa und Helmut Newton
vorgestellt. Spielte für diese das Thema Bildethik überhaupt eine
Rolle?

Schicha:

Zunächst verfolgen
Fotografinnen und Fotografen ebenso wie entsprechende Zeitungen oder
Medien erstmal den durchaus legitimen Anspruch, mit ihrer Arbeit Geld
verdienen zu wollen. Das ist vollkommen in Ordnung. Als
Medienethiker erhebe ich nicht den Zeigefinger und sage: Das dürft
ihr alles nicht, das ist ganz schlimm. Die Kunstfreiheit, die freie
Meinungsäußerung und das Zensurverbot haben ihre Berechtigung.
Natürlich gibt es Grenzen. So sollte pornografisches Bildmaterial
nicht Kindern und Jugendlichen zugänglich sein, und natürlich sind
nationalsozialistische Symbole oder Gewaltdarstellungen
problematisch. Aber die Kunst darf aus meiner Sicht im Gegensatz zur
journalistischen Fotografie oder auch zur Dokumentarfotografie diese
Grenzen ausreizen. Denn Kunstfreiheit ist ein extrem wichtiges Gut.
Wir brauchen diesen Diskurs in einer öffentlichen, demokratischen
Gesellschaft. Wenn Kunst eingeschränkt wird und wenn Künstlerinnen
und Künstler verhaftet werden, wenn nicht demonstriert werden darf
und wenn nicht protestiert werden darf, dann läuft einiges schief.
Also insofern wünsche ich mir da den den Diskurs. Was aber nicht
bedeutet, dass alles gezeigt werden darf.

Das gesamte Interview kann als Video und Text abgerufen werden: https://www.sonntagsblatt.de/podcast-ethik-digital-christian-schicha

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Rückfragen und Anregungen zum Podcast bitte an Chefredakteurin Rieke C. Harmsen: [email protected]

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