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Leben mit einem herzkranken Kind, Andrea Dautz?


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Andrea Dautz ist Mutter eines herzkranken Kindes

Wir haben darüber gesprochen, wie es sich anfühlt in der Schwangerschaft zu erfahren, dass das eigene Kind mit einer schweren Behinderung zur Welt kommen wird. Aber ebenso wichtig: Andrea erzählt, dass sie keine Sekunde gezögert hat und immer wieder die gleiche Entscheidung treffen würde, für ihr Kind.

Das Gespräch ist intensiv, aber auch sehr versöhnlich.
Es hat mir gezeigt, dass wir jeden Tag genießen sollten.

Er entscheidet den Weg und wir gehen mit

Andrea und ich dachten eigentlich wir hätten Zeit.

Es ist früher Abend, die Steine knirschen unter unseren Füßen. Wir arbeiten uns durch Geäst hindurch zum Wanderweg und vorbei an einer alten Schranke, die die Gleichgewichtsverhältnisse an diesem Abend gut beschreibt. Wir wollten einen Spaziergang durch die Wahner Heide machen, dabei etwas fotografieren und über das Leben quatschen, bevor wir den Podcast aufnehmen. Doch die Ausganssperre macht uns einen Strich durch die Rechnung.

Wir müssen uns beeilen, wissen aber nicht so recht was für Bildmotive wir suchen und beginnen mit dem Üblichen: Wie läufts zu Hause, was läuft nicht? Wie ist Corona? Und so weiter…Und ehe ich mich versehe, sind wir mitten im Gespräch.

Ich stoppe unsere Gedanken. Ich merke, dass Andrea bereits auf Fragen antwortet, die ich erst später stellen werde. Und weil der Podcast ein Original sein soll und keine Kopie einer vorangegangenen Unterhaltung, muss ich dazwischen gehen.

Es zeigt mir nur noch einmal, wie vertraut wir einander sind.

Wir sind eng befreundet, obwohl wir uns selten sehen. Im letzten Jahr nur einmal. Unsere Kinder sind im gleichen Alter. Vor jedem Treffen können sie tagelang nicht schlafen vor Aufregung.

Diese Vertrautheit ist allerdings nicht selbstverständlich. Denn die Freundschaft ist noch gar nicht so alt. Wir kennen uns über meine Frau Katha. Sie und Andrea arbeiten zusammen in einer Rehaklinik. Lass es sechs, sieben Jahre sein, die wir uns wirklich „kennen“.

Und dennoch: Vom ersten Treffen an hatte ich das Gefühl, dass wir uns seit der Grundschule kennen – und vertrauen. Und das gilt nicht nur für sie, auch für ihren Mann Christoph. Vor etwas mehr als drei Jahren haben die beiden mich gefragt, ob ich der Patenonkel ihres Sohnes Luis werden möchte. Ich habe keine Sekunde gezögert.

Um der Situation Herr zu werden, beginne ich zu fotografieren.

Wenn ich Bilder mache, rede ich konsequent Stuss. Ich antworte einsilbig, immer mit flachen Witzen zur Auflockerung der Stimmmung, oder ich erzähle einfache Weisheiten, die mein Gegenüber entspannen lässt. Nur jetzt klappt es nicht. Zu spannend ist ihre Erzählung, zu interessiert bin ich. Das Gespräch geht weiter.

Heute ist vieles anders. Denn nicht ich, sondern sie sagt nach kurzer Zeit den Satz, der mich entspannen lässt, trotz aller Ambivalenz des Gesagten:

„Luis geht seinen Weg. Und wir gehen mit.“

Das ist ein versöhnlicher, aber auch ein sehr, sehr trauriger Satz. Denn er beinhaltet auf einer zweiten Ebene auch die Möglichkeit, dass Luis sich schon in wenigen Wochen entscheiden könnte, am Ende des Weges angekommen zu sein. Mit dreieinhalb Jahren wird er zum dritten Mal am offenen Herzen operiert. Seine Diagnose: Hypoplastisches Linksherz. Darüber weiß ich natürlich Bescheid.

Und dennoch entspanne ich, denn ich weiß, dass wir auf dem richtigen Weg sind – wenigstens mit den Bildern. Wir gehen noch ein paar Meter.

Plötzlich startet ein Flugzeug am neben uns liegenden Flughafen Köln/Bonn. Sekunden später verschwindet es in den Wolken, durch die sich das gleißende Licht der untergehenden Sonne ihren Weg sucht. Ich mache ein Bild und zeige es ihr. „Hoffentlich ist das keine Vorhersehung“, sage i

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InterviewsBy Bastian Schroeder