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Was ist Erfolg, Sebastian Trägner?


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Sebastian Trägner ist ein Phänomen: Er war professioneller Skateboarder, Reiseleiter, Herrenausstatter, World-of-Warcraft Spieler, Modell, Influencer und Fotograf. Und in all seinen Berufen wurde er innerhalb kurzer Zeit zum Aushängeschild der Branche. Und doch sieht er sich selbst nicht als erfolgreich an.

Was ist eigentlich Erfolg und woran merke ich, dass ich ihn habe? Darüber sprechen wir in diesem Podcast.

Nicht immer gleich durchschaubar

Als ich Sebastian Trägner zum ersten Mal traf, war ich überrascht – von seiner zurückhaltenden Art und seiner spürbaren Unsicherheit. Warum?

Weil ich ihn auf den ersten Blick oberflächlich bewertet habe. Ein Fehler, wie ich heute weiß. Aber Einer, der kalkuliert ist.

"Klar, mein Äußeres ist eine Art Schutzhülle für mich und meine Emotionen", erklärt mir Trägi, wie ihn eigentlich alle nennen, auf dem Spaziergang nach unserem Interview.

In Gedanken frage ich mich, wie oft ich mich von Äußerlichkeiten so an der Nase habe herumführen lassen. Wahrscheinlich täglich, aber noch nie lag ich bewusst so falsch wie an diesem Tag.

Dieser Tag ist gut drei Jahre her. Trägi war zu Gast bei meinem offenen Bildbesprechungsabend, dem OpenTable. Ein Bekannter hatte ihn mitgebracht und mir erklärt, "Der Trägi zeigt heut seine Bilder. Der brauch deine Hilfe, der muss vorwärts kommen."

Was für Bilder würde er zeigen? Skate-Bilder? Szene Fotos?

Wieder lag ich falsch. Er brachte berührende Fotografien von Obdachlosen mit. Wertschätzende Fotos. Und auch Geschichten dazu. Geschichten von Menschen, die an irgendeiner Stelle in ihrem Leben eine andere Abfahrt genommen haben, als wir sie gewohnt sind und deswegen von vielen ausgegrenzt werden. Doch nicht von Trägi. Er berichtet, wie er sich zu ihnen setzt, sie anhört und sich mit ihnen anfreundet. Respektvoll, wie ich normalerweise auch mit Mitmenschen umgehe.

Und wieder ertappe ich mich.

Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, bin auch ich bisher mit Obdachlosen anders umgegangen, als mit Menschen, die zum OpenTable in mein Studio kommen. Ich habe ihnen nicht zugehört, sie bisweilen nicht beachtet. Ein Habitus, den ich aus meiner Zeit in New York habe. Dort wird man nicht nur sprichwörtlich an jeder Hausecke angesprochen – ob man mal was übrig hat, ob man nicht Interesse an einer gefälschten Ray Ben habe oder das Album eines bestimmt sehr bald, sehr berühmten Nachwuchsrapper auf CD kaufen wolle.

Den Rat, den ich damals von meinen New Yorker Freunden bekam: Nur Touristen bleiben stehen. Ein echter New Yorker läuft einfach weiter, macht die Ohren zu, sonst kommt er nicht an. Und ich wollte ein New Yorker sein. Also machte ich die Ohren zu und kam an.

Doch wird mir an diesem Abend schmerzlich bewusst, dass man mit der Ankunft nicht immer sein Ziel erreicht hat.

Liebe ist erfolgreich

Auch am Tag unserer Podcastaufnahme hält mir Trägi wieder den Spiegel vor. Im Interview, aber auch später beim Fotografieren. Er macht das aber nicht extra oder bewusst. Er macht das überhaupt nicht. Ich bin es, der plötzlich Dinge an sich erkennt, die ich vorher nicht wahrgenommen habe. Mein Eindruck ist, dass er all das, was er macht, aus Liebe macht. Auch echter und ehrlicher Zuneigung, den Menschen und Dingen gegenüber, mit denen er umgeht.

Er ist das gute Beispiel, mit dem man ja bekanntlich voran gehen soll. Doch geht er nicht voran. Er läuft nicht mit einer Fahne vor, wie ein Reiseleiter, der seine Reisegruppe zusammenhalten möchte. Er geht einfach. Ohne sich bewusst zu sein, dass er eine Fahne trägt.

Und das macht Trägi so erfolgreich. Ohne dass er sich selber eingestehen muss, dass er es ist.

Danke Trägi.

Shownotes

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InterviewsBy Bastian Schroeder