Interviews

Wie können wir kreativer werden, Dirk von Gehlen?


Listen Later

Wie können wir kreativer werden, Dirk von Gehlen?
Es gibt keine unkreativen Menschen, es gibt nur häufig schlechte Voraussetzungen für Kreativität, sagt mein heutiger Gast Dirk von Gehlen. Warum das eigene Mindset dabei eine wichtige Rolle spielt und wie Kreativität sich von Innovation unterscheidet, darüber sprechen wir in dieser wirklich witzigen Folge von viel schoenes dabei.
Erst die Fragen, dann die Lösung.

Die Temperatur liegt gerade so über dem Gefrierpunkt, als ich den Platz vor dem "Süddeutsche" Verlagshaus an diesem sonnigen Novembermorgen betrete. Vor dem Eingang wird gerade der diesjährige Weihnachtsbaum aufgebaut.

Ein sichtbar untersetzter Hilfsarbeiter in ausgewaschener Bundeswehrcamouflage schiebt die Lichterkette lustlos seinem Kollegen entgegen. Der wiederum ist sichtlich bemüht, die Lampen von einer Hebebühne aus am Baum zu befestigen. Ein Dritter, der Chef, steht daneben und dirigiert die beiden anderen mit forschem Ton, dafür ohne System: Nach links, nein etwas rechts, höher, etwas zurück – Ja so, noch was, jetzt links. Ja, nächste.

Ich verstehe nur die Hälfte seiner Anweisungen. Dem oberbayerischen Singsang, das ich aus meiner Jugend noch ganz gut kenne, ist ein osteuropäischer Akzent beigemischt. Diese Kombination aus eintönigem Nuscheln und bajuwarischer Stimmmelodie könnte selbst ein Immitationsgenie wie Max Giermann nicht nachahmen.

Die Szene wirkt humoristisch, beinahe wie in einem alten Loriot-Sketch, in dem die Grenze zwischen Ernsthaftigkeit und Witz im Auge des Betrachters liegt.

Gäbe es wohl eine bessere Lösung diese Lampen am Weihnachtsbaum zu befestigen? Das, so stelle ich fest, wäre wohl die Frage, die sich mein heutiger Gesprächspartner zu dieser Szene stellen würde. Rückblickend muss ich mich korrigieren: Es wäre nur eine der Fragen, die mein Gesprächspartner stellen würde. Fragen gehen für ihn vor Antworten.

Dirk von Gehlen ist Journalist, Autor und Leiter der Abteilung Social Media/Innovation bei der Süddeutschen Zeitung. Seine Aufgabe ist es, das Unternehmen kreativer zu machen. Statt einem Brainstorming empfiehlt er beispielsweise Fragenstormings bzw. um Denglisch keinen Vorschub zu gewähren: Question-Stormings. Viel wichtiger als stundenlang Lösungsvorschläge auf meist nicht ganz konkret gefasst Brainstormingthemen zu verwenden, sollten wir uns einen Satz von Albert Einstein zu Gemüte führen: "Wenn ich eine Stunde Zeit hätte, um ein Problem zu lösen, würde ich 55 Minuten damit verbringen, über das Problem nachzudenken und fünf Minuten über die Lösung.”

Je genauer wir das Ziel eines Kreativitätsprozesses definieren, desto klarer könne eine Lösung aussehen, so von Gehlen. Über Fragen könnten mögliche Unklarheiten besser erarbeitet werden als über vage, in den Raum gestellte Lösungsansätze. Insbesondere weil der Grund für das Brainstorming zumeist eher locker umrissen sei. Eine Erfahrung, die ich aus jahrelanger "Kreativarbeit" definitiv nachvollziehen kann und die mich unmittelbar in die Versuchung bringt, den Fragensturm bei nächster Gelegenheit auszuprobieren.

Wir müssen uns von den Ideen finden lassen

Dirk von Gehlen würde aus einer Menschenmenge herausstechen wie ein Anzugträger unter Bankern. Er trägt Bluejeans, Hemd, Pullover und ein graues Jackett. Darüber einen dunkelblauen, gefütterten Mantel, wahrscheinlich mit Gore-Tex-Membran. Manch einer würde diesen Look als "unaffällig-normal" bezeichnen, ich finde es sehr schick.

Doch sobald Dirk sein breites Lächeln aufsetzt, ist Schluss mit unauffällig-normal. Er füllt den Raum mit Inspiration, seine gute Laune steckt augenblicklich an. Im Laufe des Gesprächs stelle ich fest, dass ich selten jemanden getroffen habe, der durchweg so positiv ist wie Dirk. Hinter jede

...more
View all episodesView all episodes
Download on the App Store

InterviewsBy Bastian Schroeder