„Ohne breite Basis keine Spitze“ – Hannes Schulz über Nachwuchs, Ligaqualität & Nationalteam-Perspektiven
In dieser Episode des Waterpolo Expert Talk spricht Hannes Schulz, langjähriger Bundesligaspieler des OSC Potsdam und ehemaliger Nationalspieler, sehr offen über eines der größten Probleme des deutschen Wasserballs: den fehlenden Übergang zwischen Nachwuchs, Bundesliga und Nationalmannschaft.
Hannes blickt zunächst auf seinen eigenen Werdegang zurück. Über den Leistungsschwimmsport kam er eher zufällig zum Wasserball, nachdem ihm das reine Schwimmen irgendwann zu eintönig wurde. Die vorhandene Grundausbildung im Wasser erwies sich jedoch als enormer Vorteil. Schnelligkeit, Wassergefühl und Antizipation halfen ihm, sich schnell im Mannschaftssport zurechtzufinden. Gleichzeitig betont er, wie wichtig das taktische Verständnis und das frühzeitige Spielen mit Ball für eine langfristige Entwicklung sind.
Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die Bedeutung von Spielpraxis. Für Hannes ist klar: Man lernt Wasserball nicht im Training allein, sondern vor allem im Spiel. Junge Spieler müssen Fehler machen dürfen, Verantwortung übernehmen und echte Minuten bekommen – auch wenn das kurzfristig Ergebnisse kosten kann. Genau hier sieht er eine der größten Schwächen des Systems: Viele Talente trainieren gut, bekommen aber nie die Gelegenheit, sich im Wettkampf zu beweisen.
Besonders kritisch spricht Hannes über die Altersphase zwischen 18 und 25 Jahren. In diesem Zeitraum gehen in Deutschland besonders viele Spieler verloren. Schule ist beendet, Studium oder Beruf beginnen, der Trainingsaufwand bleibt hoch – und gleichzeitig fehlt oft eine klare Perspektive. Wer es nicht sofort in die erste Mannschaft oder das Nationalteam schafft, fällt häufig komplett durchs Raster. Für Hannes ist das fatal, denn Leistungssport braucht Zeit, Geduld und individuelle Entwicklungsverläufe.
Seine zentrale Forderung lautet daher: Die Bundesliga muss mit jungen Spielern „geflutet“ werden. Nicht nur zwei oder drei Ausnahmetalente pro Jahrgang, sondern eine breite Masse an Spielern, die regelmäßig auf hohem Niveau trainieren und spielen. Nur so entsteht Wettbewerb, nur so können sich Leistungssprünge entwickeln – und nur so bleibt genügend Spielermaterial erhalten, um langfristig konkurrenzfähig zu sein.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Rolle von Kooperationen zwischen Vereinen. Hannes sieht sie grundsätzlich positiv, warnt aber davor, junge Spieler lediglich als Trainingspartner für Topteams zu nutzen. Kooperationen müssen echte Perspektiven bieten, klare Absprachen enthalten und vor allem sicherstellen, dass Spieler weiterhin Spielzeit in ihren Heimatvereinen bekommen. Entwicklung entsteht nicht auf der Bank, sondern im Wasser.
Auch die Nationalmannschaft kommt zur Sprache. Hannes unterstützt den aktuellen Umbruch und betont, dass junge Spieler zwar früh integriert werden sollten, aber nicht unvorbereitet „ins kalte Wasser“ geworfen werden dürfen. Übergangsteams, Perspektivkader oder zweite Nationalmannschaften könnten helfen, die Lücke zwischen U19 und A-Nationalteam zu schließen.
Trotz aller Kritik bleibt Hannes optimistisch. Er sieht viel Talent in den aktuellen Jahrgängen und ist überzeugt, dass der deutsche Wasserball eine bessere Zukunft haben kann – wenn es gelingt, mehr Spieler im System zu halten, ihnen Perspektiven zu geben und nicht zu früh auszusortieren.
Diese Episode ist ein ehrlicher, praxisnaher und konstruktiver Blick auf Nachwuchsarbeit, Bundesliga-Strukturen und die Frage, wie man Spieler langfristig im Leistungssport halten kann.
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🤽♂️ Pflichtfolge für Trainer, Funktionäre, Spieler und Eltern im Wasserball.