Ein Kommentar von Uwe Kranz.
18 Euro für 1 Liter Benzin?
Vor Tagen erhielt ich von meinem Gasanbieter ein Kündigungsschreiben meines bisherigen Vertrages, nach dem ich monatlich 150 € Abschlagszahlungen leistete. Gleichzeitig wurde angekündigt, dass nach dem neuen Vertrag monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von fast 700 € zu leisten seien. Mich traf fast der Schlag, denn schon kurz zuvor hatte ich in den neuen Medien gelesen, dass die Börsengaspreise in der EU erstmals € 3.300/1.000 m3 überstiegen. Das bedeutet, dass die mir angekündigte Gaspreiserhöhung noch längst nicht das Ende der Fahnenstange markiert, sondern dass weitere Steigerungen in den kommenden Monaten (und Jahren?) durchaus noch zu erwarten sind. Wenn diese und die kommenden Gaspreiserhöhungen für viele Bürger immer noch keine konkrete Gestalt von Kündigungen, Nachforderungen oder Abschlagszahlungen angenommen hat, sondern allenfalls wie eine dunkle Nebelschwade den Blick in die nahe und uns drohende Zukunft erschwert, muss man ganz einfach plastisch demonstrieren: Stellen Sie sich vor, dass bei der nächsten Fahrt zur Tankstelle der Liter Benzin 18 Euro oder mehr kosten würde, dann haben Sie eine relativ konkrete Vorstellung.
Realpolitischer Irrsinn par excellence
Spätestens dann wird Ihnen auch die Erkenntnis dämmern, dass wahnhafte ideologische Überzeugungen und grüner Dogmatismus im Winter nicht wärmen, sondern realpolitischer Irrsinn par excellence sind. Jeder achte deutsche Mieter wird die Wohnkosten nicht mehr stemmen können, schätzt das Statistische Bundesamt - und Mieter sind über 50 Prozent der Bevölkerung, ein Millionenheer! Über 40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens gehen fürs Wohnen und Nebenkosten drauf – wer soll dann solche Steigerungen noch tragen können? Schon drohen bei den Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften (vor allem in Ostdeutschland) die ersten Insolvenzen. Der Dachverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) rief inständig nach staatlicher Hilfe (Bürgschaften?), ohne die über 38 % der Vermieter wegen der finanziellen Vorleistungen für die Energieversorgung insolvent würden.
Kauft Klopapier!?
An Beispielen mangelt es nicht, im Kleinen, wie im Großen: Für eine 60 qm kleine Wohnung in Sachsen- Anhalt beträgt die Kaltmiete 300 €, aber die Nebenkosten liegen energiebedingt inzwischen bei 750 €, Tendenz steigend; Im 1. Halbjahr 2022 haben nach Kenntnis von XING und Wirtschaftswoche bereits 52 Großunternehmen einen Insolvenzantrag gestellt (+53%), darunter 19 Unternehmen mit einem Umsatz von über 20 Mio. €! Bis Ende 2022 dürfte sich die Zahl insolventer Großunternehmen auf 120 erhöhen, darunter kreuz und quer über Deutschland verteilt auch viele namhafte Unternehmen, z.B. der größte EU-Stahlkonzern ARCELORMITTAL in Norddeutschland, der Papierproduzent Hakle in Nordrhein-Westfalen, der Phosphatdüngemittelhersteller Seraplant in Sachsen-Anhalt, die Kartonagenfabrik Baden Board in Baden-Württemberg, der Schuhhändler Görtz (160 Filialen) aus Hamburg, der Drehteilhersteller Leipold aus Wolfach, oder die Bäckereikette Goldjunge aus Bayern, die vermutlich ihre 26 Filialen ebenso schließen muss, wie der kleine Bäcker seinen Familienbetrieb in dritter Generation, der kürzlich seine ihm präsentierte Gasrechnung im Internet veröffentlichte: Seine monatlichen Abschlagszahlungen sollen von 605,88 € auf 2.174,21 € steigen. Da kann man nur noch kleine Brötchen backen, den Laden schließen und zum Amt gehen! Bei kleinen und mittleren Unternehmen geht die schiere Panik um, denn nicht nur die Energieprise explodieren, sondern auch die Rohstoffpreise, alles, was indirekt damit zusammenhängt - und nicht alles kann zeitgleich oder in naher Zukunft an den Kunden weitergegeben werden. Deutschland droht ein Wirtschafts- und Industrie-Exodus nie gekannt...