8.1. In Freuds Traumdeutung wird das Phänomen Traum in einem ersten Anlauf bestimmt als Erinnern, als „Reproduktion von Erlebtem“, wobei diese Reproduktion, die Traumkonstruktion, nicht strikt zufällig erfolgt, sondern ihren eigenen, verborgenen Regeln gehorcht.
8.2. Sofern der Traum aus der Fülle des Materials der erlebten Eindrücke eine Auswahl trifft, muß man ihn als einen psychischen Akt betrachten. Dieser Akt hat seinen vollwertigen Platz in einer „Kette“ der anderen Handlungen des Individuums. Im Falle einer psychischen Erkrankung haben nicht nur viele Handlungen des Kranken, sondern auch diese Akte des Träumens symptomatischen Charakter. Aus diesem Grund postuliert Freud, daß die Träume in vollem wissenschaftlichen Wortsinn deutbar sind. Mit diesem Schritt – Träume sind nicht nur Anzeichen, sondern wie Texte lesbar – stellt sich Freud gegen die empirisch-objektivistische Sichtder Naturwissenschaften seiner Zeit. Er tut dies jedoch ohne seinen medizinisch-naturwissenschaftlichen Anspruch aufzugeben.
8.3. Zum Zweck der Traumdeutung liefert der Patient (im Buch ist dies hilfsweise Freud selbst: er analysiert seine eigenen Träume) in einer eigens erlernten Einstellung freischwebender Aufmerksamkeit das möglichst ungefilterte Traummaterial – und zu diesem Traummaterial seine ebenso ungefilterten Eingebungen, Assoziationen und Gedanken. Die erzählende Auseinandersetzung mit diesen „Einfällen“ zum Traum macht die eigentliche Traumarbeit aus – in der freilich nicht nur das breitwillig Erzählte, sondern gerade auch die Widerstände gegen Eingebungen und Aspekte der Deutung die Richtung zum „Sinn“ der Traumdetails und zum „Sinn“ des Traumes weisen.
8.4. Neben dem konkreten lebensgeschichtlichen Sinn des Traums als „Akt“ eines mehr oder
weniger therapiebedürftigen Menschen ist hinter dem Träumen ein Grundmotiv erkennbar: Im Traum geben wir unterschwelligen Wünschen nach. Zitat Freud: „Nach vollendeter Deutungsarbeit läßt sich der Traum als Wunscherfüllung erkennen.“ (Traumdeutung, Kap. II,
letzter Satz)