... aber wovon?
Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Es ist ein komisches Gefühl. Die letzten Tage und Stunden in Deutschland sind da, und mit ihnen kommt der Frühling. Die schönste Jahreszeit in der Natur. Jeden Tag sieht man, wie wundersam dort Blüten sprießen, dort zarte grüne Blätter sich zeigen, nur die alte Eiche am Ortsausgang … da ist es jedes Jahr wieder, als ob es das letzte Jahr sein sollte. Erst spät im Sommer zeigen sich die Blätter und beweisen, dass der Baum noch lebt. Wir verlassen dieses Wunder, das uns so viele Früchte bescherte, dass der Hauskäufer noch eine halbe Gefriertruhe vom letzten Jahr übernehmen kann. Wir verlassen es in dem Wissen, dass wir es wohl nicht mehr sehen werden. Es ist ein endgültiger Abschied. Deshalb heute ein paar sehr persönliche Worte, Entschuldigung dafür.
Wer oder was wird verlassen?
Wir verlassen auch die netten Nachbarn, die uns in den letzten Tagen noch ihr Auto geliehen haben, und den Nachbarn, der noch mal vorbeigekommen ist, um Hilfe anzubieten und uns zu verabschieden. Wir verlassen sie ebenso wie jene Nachbarn, die uns zu „unerwünschten Personen“ erklärt haben, weil wir uns nicht gentechnisch behandelt ließen, welche anderen Nachbarn drohten „wenn du mit dem redest, brauchst du nicht mehr zu uns zu kommen“. Wir verlassen die Versender von Hassmails und Absender von Briefen mit Exkrementen.
Wir verlassen aber ganz besonders das politische und gesellschaftliche System Deutschlands. Und angesichts meines Alters wird es wohl ein Abschied für immer sein.
Ich habe schon viele Male im Ausland gelebt. Zuletzt 10 Jahre in Südostasien. Dabei habe ich Militärputsche, Bürgerkriege und Diktaturen erlebt, ebenso wie Aufbruch und Hoffnung in Gesellschaften. Immer hatte ich Deutschland als meine Heimat angesehen. Den Geruch frisch gemähter Wiesen, wenn man mit dem Mountainbike durch die Felder fährt, den Geschmack von Erdbeeren vom Bodensee. Die jährliche „Auferstehung“ der Natur und der überwältigende Überfluss des Sommers, der sich dann mit einem furiosen Farbspektakel verabschiedete. Um der Härte von Frost, Eis und Schnee Platz zu machen. Aber auch die Sprache mit ihren verschiedenen lokalen Ausprägungen, die Menschen, die sich freundlich zuwinkten, ohne sich zu kennen. Die lachenden und spielenden Kinder, die ihre Mofas frisierenden Jugendlichen, die stolzen Familienväter und Mütter, die Sonntags zum Spaziergang mit den Kindern die Arbeitskleidung abgelegt und Feiertagskleidung angelegt hatten.
Ich musste grinsen, wenn ich samstags mit dem Motorrad durch Deutschland fuhr und beobachtete, wie andächtig die Menschen mit dem Besen vor dem Haus kehrten und wie Gartenzwerge den Vorgarten bewachten. Es war ein liebevolles Grinsen, erfüllt von dem Verständnis, dass die Menschen taten, was ihnen lieb und wert war.
Als es noch kein Navi gab, und ich in Hamburg anhielt und verzweifelt versuchte, mich auf einem Stadtplan zurechtzufinden, passierte es mir, dass Menschen an die Scheiben klopften, und fragten, ob sie mir helfen können. Hilfsbereitschaft überwältigte mich auch, als ich einmal in Überschätzung meiner Fähigkeiten mit dem Motorrad in einen Graben rutschte oder ein anderes Mal, als ich mich in Matsch festgefahren hatte.
All das und noch viel mehr scheint nun vorbei zu sein. Zuerst kam Corona und damit die Spaltung der Gesellschaft. Dann kam die Ukraine-Lüge, welche viele der Menschen auch wieder glaubten, eben jene, die an die prophylaktische gentherapeutische Behandlung, genannt Impfung glauben. Und plötzlich sieht Deutschland wieder Russland als Feind an, als den, der, neben dem Virus, all die Probleme verursacht hat, unter denen sie nun leiden. Und die eigentlichen Verursacher der Probleme werden wieder mal als Retter und Helden gefeiert.
Und so fällt der Abschied doch leichter als gedacht. Straße frei für die junge Generation. Mein Megafon habe ich verschenkt.