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Afrikas Entkolonialisierung beginnt | Von Jochen Mitschka


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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Die Krise in der Sahel-Region, ausgelöst durch den Militärputsch im Niger hat ein umfassendes alternatives Medienecho ausgelöst. Ich will versuchen, einen Überblick über einige wichtige Aussagen zu geben. Aussagen, welche die Einschätzung widerspiegeln, dass mit dieser Krise die heiße Phase der Entkolonialisierung Afrikas begonnen hat. Die erste Krise des Kolonialismus hatte zu mehreren Jahrzehnten blutiger Kämpfe mit schrecklichen Verbrechen der europäischen Kolonialstaaten geführt. Verbrechen, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen mag. Mit Konzentrationslagern, Massenermordungen, Verstümmelungen. Die Kämpfe endeten mit der nominalen Selbständigkeit, die allerdings dramatisch eingeschränkt wurde, nicht nur durch immer noch zu zahlende Kolonialsteuer an Frankreich, sondern auch allgemein durch eine wirtschaftliche und militärische Dominanz, Korruption und Ermordungen von Führern solcher Länder, welche nach echter Unabhängigkeit trachteten. Einer von ihnen war Thomas Sankara, als dessen politische Erben sich die Revolutionäre der inzwischen vier Länder der Sahelzone, Guinea, Burkina Faso, Mali und Niger sehen.
Satire oder Politik?
Martin Sonneborn, der Satiriker, der zum EU-Politiker mutierte, hat, zum Einstieg in das Thema, in einem langen Tweet als einer der sehr wenigen EU-Politiker die Wirklichkeit erklärt, als Satire getarnt.(1) Um den künstlerischen Anspruch nicht zu verwässern, will ich seine Aussagen nicht interpretieren und erklären, sondern auszugsweise zitieren:
„In Frankreich gibt es keine einzige aktive Goldmine. Dennoch besitzt dieser (ehemals) verbrecherische Kolonialstaat mit 2.436 Tonnen die viertgrößten Goldreserven der Welt. Die (ehemals) französische Kolonie Mali besitzt genau 0,0 Tonnen Gold, obwohl es mehrere Dutzend Minen (darunter 14 offizielle) im Land hat, in denen pro Jahr ganze 70 Tonnen davon abgebaut werden. Von den Einnahmen aus knapp 60 Tonnen Gold, die von (schätzungsweise) 600.000 Kindern in der (ehemals) französischen Kolonie Burkina Faso geschürft werden, gehen nur 10% an das Land, aber 90% an multinationale Goldgräberkonzerne.
Die letzte seiner 210 Uranminen hat Frankreich im Jahr 2001 geschlossen. Seither werden alle mit dem umwelt- und gesundheitsschädlichen Uranabbau verbundenen Probleme, einschließlich der Gefahren radioaktiver Verstrahlung, vorsorglich nach woanders exportiert. Aus dem westafrikanischen Niger stammen etwa ein Viertel der europäischen und ein Drittel der Uranimporte Frankreichs, das mit 56 Kernkraftwerken einen (ausbaufähigen) Spitzenplatz unter den Atomstromexporteuren der Welt belegt. Beschafft wird deren betriebsnotwendiger Brennstoff vom staatlichen Nukleargiganten Orano (ehemals Areva), der den höchsten und (passenderweise auch) schwärzesten Granitbau unter den Wolkenkratzern des Pariser Kapitaldistrikts La Défense besitzt, in geheimen Geheimverträgen z.B. aus Niger, wo der Konzern sich drei gewaltige Uranminen sowie die Mehrheitsbeteiligung an Nigers Staatsunternehmen für Uranaufbereitung (Somaïr) unter den Nagel gerissen hat.
Die (ehemals) französische Kolonie Niger verfügt über die hochwertigsten Uranerze Afrikas und ist der siebtgrößte Uranproduzent der Welt, aber der Weltbank zufolge sind 81,4% seiner Bürger noch nicht einmal ans Stromnetz angeschlossen. 40% leben unterhalb der Armutsgrenze, ein Drittel der Kinder ist untergewichtig, die Analphabetenquote liegt bei 63 Prozent. Nur die Hälfte der Einwohner hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, nur 16 Prozent sind an eine angemessene Sanitärversorgung angeschlossen. Das gesamte Staatsbudget Nigers, eines Landes mit der dreifachen Fläche der Bundesrepublik, ist mit rund 4,5 Mrd. Euro nicht größer als der jährliche Umsatz des französischen Atomkonzerns. Trotz seiner Uran- und Goldvorkommen lag der Niger im Entwicklungs-Index zuletzt auf Platz 189 von 191 erfassten Staaten.
Frankreich hat im Zuge der „Dekolonisierung“ der 19...
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