Ein Kommentar von Wolfgang Eggert.
Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt apolut diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!
Nun ist es zwei Wochen her, dass der Skandal um die Sprengung der deutsch-russischen Erdgas-Versorgungslinie Nord Stream 2 mit den Enthüllungen des Pulitzer-Preisträgers Seymour Hersh an Fahrt aufgenommen hat. Nach Hershs Informationslage wurden die Explosivmittel im Juni 2022 von Kampfschwimmern der US-Marine unter dem schützenden Deckmantel der NATO-Übung BALTOPS 22 ausgebracht und drei Monate später mittels einer Signalboje ferngezündet. Einem Informanten zufolge waren sich die Teammitglieder völlig im Klaren darüber, dass sie an einer „Kriegshandlung“ teilnahmen, die im Übrigen in erster Linie gegen Deutschland gerichtet war. Das sei der Grund für Warnungen aus der CIA und dem Außenministerium gewesen. „Lasst das lieber sein“, habe es geheißen. „Wenn das auffliegt, haben wir einen politischen Albtraum.“ Was erstaunlich ist: Einige Regierungsvertreter schienen diese Kassandrarufe völlig kalt zu lassen.
Sowohl US-Präsident Biden als auch seine Ostbeauftragte im Außenministerium, Victoria Nuland, hatten vor der Pipeline-Explosion unmissverständlich klargemacht, dass man dem deutsch-russischen Gasversorgungsprojekt Nord Stream 2 „ein Ende machen“ werde, falls Russland in die Ukraine einmarschiere. Die Aussagen fielen im Januar und Februar 2022.
Biden erhob seine Drohung im Zuge einer Pressekonferenz, während er direkt neben dem deutschen Kanzler stand. Auf die Frage einer Journalistin, wie er das denn tun wolle, da die Pipeline doch in der Entscheidungsgewalt Deutschlands liege, gab er die kryptische Antwort: „Ich verspreche Ihnen, wir werden dazu in der Lage sein.“ Nuland zufolge war der deutschen Seite in „harten, offenen Gesprächen“ klargemacht worden, dass — sprächen in der Ukraine die Waffen — die Pipelines ihr „natürliches“ Ende fänden, „so oder so“. Als dieser Job getan war, verkündete dieselbe Frau Nuland in einer öffentlichen Senatsanhörung ihre „starke Befriedigung, zu wissen, dass Nord Stream jetzt ein Haufen Schrott am Grund des Meeres ist“. Sie denke da auch für die ganze US-Administration sprechen zu können.
Nulands Beitrag zur Aufheizung der Ostpolitik ist keineswegs neu. Die Scharfmacherin ist mit dem neokonservativen Regierungsberater Robert Kagan verheiratet, ebenfalls ein Heißsporn, der in George W. Bushs Post-9/11-Kriegen seine Rolle spielte. Beide wussten stets die typisch amerikanische Struktur nicht gewählter „Nebenregierungen“ zu nutzen: Lobbies, Pressure Groups und Thinktanks wie das kriegstreiberische „Project for a new American Century“, nach dem Motto: „Das imperiale Amerika braucht ein neues Pearl Harbour als Türöffner.“ Oder, aktuell, die RAND-Corporation; deren Studie „Weakening Germany“, in der ein Containment Kontinentaleuropas und allen voran Deutschlands als wünschenswert und mittels einer Übersteuerung des Ukrainekonflikts auch als machbar bezeichnet wird, wurde wiederholt als Fälschung bezeichnet. Doch selbst wenn das stimmt, selbst wenn dieses vorgeblich am 25. Januar 2022 an US-Regierungsbehörden versandte Memorandum von russischen Berufstrollen stammt, so bleibt der beunruhigende Fakt bestehen,