Ein Kommentar von Wolfgang Bittner.
Ein ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts klagt an: Elementare Menschenrechte wurden in der Coronazeit außer Kraft gesetzt.
Am 18. September 2023 fand in der Vertretung des Freistaates Sachsen beim Bund in Berlin eine Tagung zum Thema „Deutschland zwischen Covid und Klima — Grundrechte unter Vorbehalt?“ statt. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Dr. Hans-Jürgen Papier, nahm ungewöhnlich deutlich zu den Verfehlungen der Legislative, Exekutive und Judikative, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, während der Corona-Pandemie Stellung.
Hans-Jürgen Papier begann seine Rede mit der Feststellung, dass die Corona-Pandemie eine außergewöhnliche Herausforderung des Rechtsstaates dargestellt habe. Dazu führte er aus:
„Gesetzgebung und Verwaltung, aber mit Einschränkung auch die Judikatur — und ich möchte sagen, insbesondere die des Bundesverfassungsgerichts — haben im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung die Anforderungen des Rechtstaates nicht immer hinreichend beachtet und vor allen Dingen nicht durchgesetzt. Von der verfassungsrechtlichen Judikatur hätte man angesichts der weitgehenden und der länger währenden Einschränkungen der Freiheitsrechte, wie ich meine, eine frühzeitige und abgewogene Entwicklung verfassungsrechtlicher Maßstäbe erwarten können, welche die höchst unterschiedlichen Schweregrade der diversen Grundrechtseinschränkungen oder -beschränkungen angemessen berücksichtigten.“
Alle diese Fragen bedürften, so Papier, „unbedingt auch der rechtswissenschaftlichen Aufarbeitung“, damit der Rechtsstaat in künftigen ähnlichen Krisenzeiten auch unter juristischen Aspekten besser gewappnet sei.
„Dem Staat bei der Pandemiebekämpfung ein undifferenziertes, ein allgemeines und letztlich unbegrenztes verfassungsrechtliches Placet für Freiheitsbeschränkungen und Grundrechtssuspendierungen jeder Art und jeden Ausmaßes zu erteilen, wie das ja in der Praxis geschehen ist, entspricht jedenfalls nicht unserer rechtsstaatlichen freiheitlichen Ordnung.“
Explizit vertritt Papier die Ansicht:
„Nach dem Motto zu verfahren, die Not kenne kein Gebot, oder der Zweck, der gute Zweck oder der vermeintlich gute Zweck, heilige jedes Mittel, scheint auch in diesem Land bisweilen hintergründig die Politik zu bestimmen. So äußerte der Bundeskanzler Olaf Scholz während der Pandemie, bei der Pandemiebekämpfung gebe es keine roten Linien. Meine Damen und Herren, in einem freiheitlichen Verfassungsstaat sollten solche Überlegungen selbst in Notzeiten, selbst in Krisenzeiten eindeutig zurückgewiesen werden. Es steht ja völlig außer Zweifel, dass die Grundrechte des Grundgesetzes auch in Zeiten von Krisen oder Notzeiten gelten oder gelten müssen.“
Weiter konstatierte Papier:
„Auch die grundsätzlich berechtigten Forderungen nach effektiven staatlichen Präventionsschutzmaßnahmen oder — nehmen wir das andere Thema — etwa nach einer besseren oder effektiveren Klimapolitik rechtfertigen nicht eine antidemokratische Regierungsstruktur,  das heißt die Suspendierung oder folgende Suspendierung, zeitweilige Suspendierung der Freiheitsrechte zugunsten eines auf Obrigkeit, Reglementierung, Überwachung und eines die freien Bürgerinnen und Bürger dieses Landes letztlich als Untertanen behandelnden Fürsorgestaates.“
Papier scheute sich nicht, einen persönlichen Eindruck zur Corona-Pandemie wiederzugeben:
„Mich haben schon die autoritären Versuchungen überrascht, mit denen nicht nur die Politik aufgewartet hat, sondern (die) beispielsweise auch im intellektuellen Bereich anzutreffen waren.“
Er stellte fest:
„Der liberale freiheitliche Rechtsstaat darf eben nicht einem St...