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Bauernkriege 2.0 | Von Uwe G. Kranz


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Ein Standpunkt von Uwe G. Kranz.
Steuern wir auf eine Neuauflage der Bauernkriege zu? Wird der „gemeine Mann“ nach etwas mehr als 500 Jahren erneut aus ökonomischen Gründen revoltierend, um am Ende wieder grundlegende Forderungen nach Menschenrechten zu erheben (die damaligen “Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben“ gehören zu den Forderungen, welche die Bauern im deutschen Bauernkrieg 1525 in Memmingen gegenüber dem Schwäbischen Bund erhoben und gelten, nach der Magna Carta von 1215, als eine der ersten niedergeschriebenen Forderungen nach Menschen- und Freiheitsrechten)? Das Epizentrum der wütenden Bewegung ist derzeit allerdings, anders als damals, nicht der Südosten Deutschlands, sondern der Westen und Südens Europas: die Niederlande vorneweg, Belgien, Frankreich, Spanien, Italien – aber inzwischen auch Polen. Und, übrigens, auch die USA.
Über 40.000 niederländische Bauern demonstrieren seit Anfang Juli gegen das „Brüsseler Nitratdiktat“, Tausende Traktoren stauen sich auf holländischen Straßen und Autobahnen und in fast allen Städten. Der deutsche Konsument der Systemmedien erhascht allenfalls Randnotizen der sich gewaltig entwickelnden Bewegung – und müsste doch so dringend über den EU-Unsinn informiert werden, der sich da zusammenbraut. Sichtbarer Auslöser war wohl die „Verordnung EU1258/20211 der Kommission vom 2.Dezember 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 bezüglich der Höchstgehalte für Lebensmittel“. Präziser: Es ging um den Nitratgehalt von Salat und Spinat, den ein spezielles „EU-Gremium für Kontaminanten in der Lebensmittelkette” (genannt „das Gremium“) nach einer längeren Gefahren-Nutzen-Abwägung in einem „wissenschaftlichen Gutachten“ zwar als grundsätzlich unproblematisch einstufte… aber: Es könnte ja sein, dass dies bei Säuglingen und Kleinkindern anders sei.
Spinatverzehr aus Bürokratensicht
Also wurde – so funktioniert die EU – eine zusätzliche Studie in Auftrag gegeben, die dann zwei Jahre später ebenfalls zu dem Schluss kam, dass die geltenden amtlichen Höchstgehalte „gesundheitlich insgesamt unbedenklich seien, obgleich eine Gefahr für Säuglinge, die mehr als einmal am Tag Spinat verzehren, nicht ganz ausgeschlossen werden“ könne – wohlgemerkt bei Konsum von mehr als 200 Gramm Spinat am Tag. Popeye lässt grüßen! Als Ergebnis dieser mehrjährigen höchst wissenschaftlichen Bürokratie-Orgie wurde den Mitgliedsstaaten schließlich eine Überwachungs- und Meldepflicht des Nitratgehalts von Gemüse an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auferlegt. (Zum Hintergrund Trinkwasser ebenso wie Mineralwasser darf höchstens 50 mg Nitrat im Liter enthalten. Wasser mit dem Hinweis auf eine Eignung für die Säuglingsernährung darf maximal 10 Milligramm Nitrat im Liter enthalten. Der Nitrathöchstwert für Beikost für Säuglinge und Kleinkinder ist mit 200 Milligramm je Kilogramm festgelegt. Der zugelassene Höchstwert für Tiefkühlspinat liegt zurzeit bei 2.000 Milligramm und für frischen Spinat aus dem Freiland bei 2.500 Milligramm, bzw. für Spinat aus dem Treibhaus bei 3.000 Milligramm pro Kilogramm.)
Der Nitratgehalt ist stark abhängig von der Speicherfähigkeit der Pflanzen (Spinat, Mangold, Rote Bete, Rettich, Radieschen, Feldsalat, Rucola, Kopfsalat oder Eisbergsalat speichern ihn besonders gut), der Bodenbeschaffenheit (dem natürlichen Nitratgehalt), den jeweiligen Lichtverhältnissen oder den Temperaturen. Alles Dinge, die die Bauern der regenerativen Landwirtschaft genau kennen, über die sie weitaus besser Bescheid wissen als Eurokraten und die sie zur Ertragssicherung beim Einbringen organischer Dünger (Gülle) oder Mineraldünger seit Generationen berücksichtigen. Nicht der Dünger ist das Problem, sondern seine Dosierung – so wie auch nicht die Kühe das Problem sind, sondern die Industrialisierung der Viehhaltung. Das bessere Ziel wäre also in jeden Fall, die Landwirtschaft stärker auf ein umfassend regeneratives System einzureg...
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