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Bundesbankpräsident Joachim Nagel und die institutionelle Korruption | Von Norbert Häring


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Ein Kommentar von Norbert Häring.
Die Group of Thirty (G30) ist ein anrüchiges Washingtoner Gremium, in dem etwas über 30 Vertreter von wichtigen Zentralbanken und von internationalen Finanzkonzernen hinter verschlossenen Türen kungeln. Die Gruppe hat am Freitag die Aufnahme von Bundesbankpräsident Joachim Nagel bekannt gegeben. Die Bundesbank hängt das aus gutem Grund nicht an die große Glocke und hat auf eine Pressemitteilung verzichtet. Denn Nagels Mitgliedschaft ist ein Skandal. In der G30 springt einen die institutionelle Korruption im Finanz- und Zentralbankwesen geradezu an. <1>
Institutionelle Korruption bezeichnet systematische oder strategische Einflussnahme auf eine Institution und deren Vertreter von außen, die dazu führt, dass diese ihre eigentliche Aufgabe nicht effektiv wahrnehmen. In diesem Fall geht es um systematisch Einflussnahme der Finanzbranche auf führende Zentralbankvertreter, die dazu führt, dass es für diese sozial, finanziell oder karrieremäßig von Vorteil ist, Spezialinteressen im privaten Sektor zu bedienen. Kriminelles bestechliches Verhalten ist damit in der Regel nicht verbunden, denn es gibt dabei meist keinen direkten Austausch von Vergünstigungen und Bezahlung.
Die Europäische Ombudsfrau Emily O’Reilly und die Europäische Zentralbank (EZB) haben sich gegen Ende der Amtszeit des letzten EZB-Präsidenten, Mario Draghi, einen längeren Schlagabtausch wegen Draghis G30-Mitgliedschaft geliefert. O’Reilly forderte Draghi auf, seine Mitgliedschaft ruhen zu lassen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Als etwa in den USA Janet Yellen in den Vorstand der US-Notenbank in Washington berufen wurde, schrieb sie <2> dem Ethik-Beauftragten der Notenbank, dass sie zur Vermeidung von Interessenkonflikten ihre Mitgliedschaft in den G30 beenden werde. Das ist dort Standard, aus gutem Grund.
Denn die von der Rockefeller Foundation ins Leben gerufene informelle Institution ähnelt einer Lobbygruppe für die internationale Großfinanz. Dort ist die Drehtür zwischen Notenbanken und Großfinanz so sichtbar wie kaum irgendwo. Die Gruppe wird dominiert von ehemaligen Notenbankern, die danach Millionensaläre bei Goldman Sachs und Co. einstreichen, und ehemaligen Spitzenmanagern der Finanzbranche, gern Goldman Sachs, die zu Notenbanken gewechselt sind.
Der frühere Bundesbankchef Axel Weber, der danach von 2012 bis 2022 Verwaltungsratschef der Schweizer Großbank UBS war, ist ein Beispiel von sehr vielen. Gemeinsam erarbeiten die Mitglieder in öffentlich-privaten G30-Arbeitsgruppen Berichte, in denen sie den Zentralbanken und Regierungen Empfehlungen geben, wie diese ihre Arbeit machen sollen. Etwa, dass sie in der Rentenpolitik auf Kapitaldeckung und Privatisierung setzen sollen.
Oder dass sie die Banken nicht zu streng beaufsichtigen, sondern sich darauf verlassen sollen, dass diese schon selber darauf achten, dass Regeln eingehalten werden und ethisch gehandelt wird.
Ganz aktuell hat die Truppe unter Anleitung von Weber einen Bericht <3> veröffentlicht, in dem sie den Zentralbanken rät, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren. Bei der Vorstellung der Mitglieder der Arbeitsgruppe wird Weber als ehemaliger Bundesbankpräsident vorgestellt, obwohl das elf Jahre her ist und er in den letzten zehn Jahren bei der UBS ein hohes Vielfaches von dem verdient hat, was er als Bundesbankpräsident verdient hatte. Bei anderen Mitgliedern, die die Drehtür durchlaufen haben, wird die Vorstellung ebenso einseitig gehandhabt. Offenbar ist man sich schon bewusst, dass es nicht allzu gut aussieht, wenn die Großfinanz den Zentralbanken sagt, wie sie ihre Arbeit tun sollen.
Weber spricht in seinem Vorwort zum Bericht ganz offe...
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