Ein Standpunkt von Hendrik Sodenkamp, Werner Köhne und Klaus Müller.
Drei Blicke in die 131. Ausgabe der Wochenzeitung Demokratischer Widerstand von Hendrik Sodenkamp, Werner Köhne und Klaus Müller.
I.
Bürgerjournalist
Der Preis der Republik geht an den Journalisten »Weichreite«
Laudatio von Hendrik Sodenkamp
Er ist überall. Der Livestreamer mit dem hübschen Namen. Ob in Erfurt, Paris,Wien oder Berlin, er ist vor Ort und berichtet. Dabei setzt er sich persönlichen Risiken aus, ob diese von Seiten der regierungstreuen Fake-Antifa kommen oder von den Truppen der Regierung selbst. Sie haben einen umkämpften Stand: die Bürgerjournalisten, die auf den Demonstrationen dokumentieren, was vor sich geht und in Echtzeit berichten, was in der Welt passiert.
Die Polizei will sie nicht als vollwertige Journalisten anerkennen. Der Vorwurf lautet, dass die Informationen der Öffentlichkeit nicht aus finanziellen Gründen zur Verfügung gestellt werden, sondern aus dem Idealismus, dass Öffentlichkeit selbst ein hohes Gut ist. Sie werden verhaftet wegen vermeintlich gefälschter Presseausweise. In Frankreich versuchte man, sich der Bürgerjournalisten zu entledigen, indem man kurzerhand das Filmen von Polizeieinsätzen verbieten wollte.
Dagegen ging die französische Republik auf die Straße. Man wusste, dass das Dunkel, das Ausblenden, die Zensur, der Gewalt Vorschub leistet. Der Bürgerjournalist »Weichreite« sucht das Gespräch, auch mit denen, die ihn verachten. So kam er vielmals in brenzlige Situationen, bei denen Reporter ohne Grenzen eigentlich hätte aufschreien müsste. Doch die Berufsjournalisten fürchten, dass unabhängige Journalisten, die ihre Arbeit ausIdealismus leisten, ihnen die gut bezahlten Pöstchen rauben.
Und so erfährt Weichreite keine Unterstützung, wenn er beispielsweise in Leipzig als Nazi diffamiert und tätlich angegriffen wird. Das Livestreamen ist ein hartes Geschäft. Es braucht Ausdauer, Überzeugung und Humor, sich den Widrigkeiten immer wieder aufs Neue zu stellen.
All das hat Weichreite und verschafft so Menschen und Veranstaltungen, die verschwiegen und ausgeblendet werden sollen, wie zuletzt die Solidaritätsdemonstration für den Richter Christian Dettmar in Erfurt, zu ihrem Recht. Dafür gebührt ihm Anerkennung, Dank und der Preis der Republik.
Hendrik Sodenkamp ist Gründer der neuen Demokratie- und Friedensbewegung seit 28. März 2020 und Co-Chefredakteur der Wochenzeitung Demokratischer Widerstand.
II.
»J’accuse«
Einwurf von Werner Köhne
Über das Schweigen, ja vollständige Versagen vieler Intellektueller während der letzten Jahre ist schon einiges geschrieben worden. Massiv geschädigt wurde so eine Öffentlichkeit, für die einst der Schriftsteller Émile Zola stand.
Mit seinem »J’accuse« (Ich klage an) erwies er sich als Fahnenträger der Aufklärung gegen einen Antisemitismus, der in seiner Zeit weite Teile der Eliten befallen hatte. Die Geltung dieses Typs von Intellektuellen wird inzwischen bestritten. An dessen Stelle ist der Experte, der Moderator und der vom Markt gedungene Medienfuzzi getreten– nicht zu vergessen der zynisch moralisierende Systemgänger.
Dagegen hier mal aus der Erinnerung ein anderes Bild. 1981 veröffentlichten der Soziologe Oskar Negt und der Filmemacher und Essayist Alexander Kluge ein Mammutwerk, das in Farbe und Format an die berühmten blauen Marx-Bände erinnerte. Der Titel des Buches »Geschichte und Eigensinn« stellte eine verknappte Botschaft dar, gehalten im Pathos einer frei schwebenden Intelligenz: Man wollte zu neuen Ufern des Denkens aufbrechen – entlang der Frage,wie objektive und subjektive Kräfte der historischen Entwicklung ineinander wirken.
Dazu passte auch ein Foto der beiden Autoren auf der inneren Kladdenseite des Buches. Wir registrieren darauf, wie diese Geistesarbeiter sich an einem größeren Tisch gegenüber sitzen – ein Duo,