Seit 2020 treibt die NATO Planungen für einen psychologischen Krieg voran, der gleichberechtigt neben den fünf bisherigen Einsatzgebieten des Militärbündnisses (Land, Wasser, Luft, Weltraum, Cyberspace) stehen soll. Es geht um das Schlachtfeld der öffentlichen Meinung. In NATO-Dokumenten ist von „Cognitive Warfare“ – geistiger Kriegsführung – die Rede. Wie konkret ist das Vorhaben, welche Schritte wurden bislang unternommen und gegen wen richtet es sich?
Ein Standpunkt von Jonas Tögel.
Um im Krieg siegreich zu sein, muss auch der Kampf um die öffentliche Meinung gewonnen werden. Dieser wird seit über 100 Jahren mit immer moderneren Werkzeugen, sogenannten Soft-Power-Techniken, geführt. Diese bezeichnen all jene psychologischen Einflusswerkzeuge, mit denen Menschen so gelenkt werden können, dass sie diese Steuerung selbst nicht bemerken. Der amerikanische Politikwissenschaftler Joseph Nye definiert Soft Power daher als „die Fähigkeit, andere zu überzeugen das zu tun, was du willst, ohne dass du Gewalt oder Zwang anwendest.“ (1)
Das Misstrauen in Regierungen und Militärs nimmt immer mehr zu, zugleich intensiviert die NATO ihre Bemühungen um eine immer ausgefeiltere psychologische Kriegsführung im Kampf um die Köpfe und Herzen der Menschen. Das übergeordnete Programm hierzu ist der „Cognitive Warfare“. Mit den psychologischen Waffen aus diesem Programm soll der Mensch selbst zum neuen Kriegsschauplatz erklärt werden, der sogenannten „Human Domain“ (menschlichen Sphäre).
Eines der ersten NATO-Dokumente zu diesen Plänen ist der Aufsatz „NATO´s Sixth Domain of Operations“ („Das sechste Einsatzgebiet der NATO“) vom September 2020, verfasst im Auftrag des NATO Innovation Hubs (kurz: IHub). Autoren sind der Amerikaner August Cole, ein ehemaliger Journalist des Wall Street Journal mit dem Arbeitsschwerpunkt Rüstungsindustrie, der seit einigen Jahren für die transatlantische Denkfabrik Atlantic Council arbeitet, sowie der Franzose Hervé le Guyader. Der 2012 gegründete IHub ist nach eigener Aussage eine Denkfabrik, in der „Experten und Erfinder von überallher zusammenarbeiten, um die Herausforderungen der NATO zu bewältigen“ und hat seinen Sitz in Norfolk, Virginia, in den USA. Offiziell gehört er nicht zur NATO, wird jedoch vom NATO Allied Transformation Command, einem der beiden strategischen Hauptquartiere der NATO, finanziert.
Der Aufsatz erzählt mehrere fiktive Geschichten und endet mit einer erfundenen Rede des US-Präsidenten, der seinen Zuhörern erklärt, wie der Cognitive Warfare funktioniert und warum jeder Mensch daran beteiligt sein kann:
„Die heutigen Fortschritte in Nanotechnologie, Biotechnologie, Informationstechnologie und der Kognitionswissenschaft, die vom scheinbar unaufhaltsamen Voranschreiten der Troika aus künstlicher Intelligenz, Big Data und der 'digitalen Abhängigkeit' unserer Zivilisation vorangetrieben werden, haben eine viel unheilvollere Aussicht geschaffen: eine eingebettete fünfte Säule, wo jeder, ohne sein oder ihr Wissen, sich nach den Plänen eines unserer Widersacher verhält.“
Die Gedanken und Gefühle jedes einzelnen Menschen stünden immer stärker im Zentrum dieser neuen Kriegsf...