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Das Döner-Netzwerk | Von Anselm Lenz


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Ein Standpunkt von Anselm Lenz.
Wie US-Konzerne zu Hackfleisch verarbeitet werden können, zeigt das zähe Konzept der Dönerbude – ein absoluter Welterfolg ohne Hauptquartier. Kann dieses Rezept die Rettung für Deutschland sein?
»Wo das goldene M leuchtet, gibt es was zu essen!« So einfach funktioniert das Konzept des US-amerikanischen Giganten für den Etappenfraß mit mittlerweile rund 40.000 Stützpunkten weltweit. Doch das anarchische Döner-Konzept zeigt, wie der aggressive US-Konzern mit dem M bekämpft, ausgehöhlt und ersetzt werden könnte.
Bereits für das Altertum sind Fressstände entlang von Straßen und Wegen bezeugt. Wo Handel getrieben wird oder regelmäßiger Fernverkehr stattfindet, beginnen Anwohner eine Einkommensquelle aufzumachen. Hungrige Postboten, Händler, Soldaten und Reisende müssen sich nicht mehr aus dem Brotbeutel, durch Jagd oder Raub versorgen, sondern können sich gegen Kleingeld etwas »zwischen die Kiemen feuern«. Die Feldküche auf der Etappe und der Imbiss an Kreuzungen hat eine seit 6.000 Jahren dokumentierte Geschichte. In Vorformen ist sie wahrscheinlich noch viel älter.
Ohne Mampf kein Kampf
Doch dann dies: Im Jahr 1940 eröffnet am Fuße des Sankt-Bernhard-Gebirges im US-Bundesstaat Kalifornien eine Fressbude, deren Logo heute jedes Kind auf der Welt kennt. Das frittengelbe M der Brüder MacDonald ist heute der Inbegriff für Hamburger, Pommes Frites und Cola. Das heutige Riesen- Kombinat geht auf eine einfache Kombination zurück. Das Prinzip ist einfach: Ein Weißbrötchen wird aufgeschnitten, etwas Gemüse und Fettcrème hineingegeben. Schließlich kommt ein weichgebratener Fleischrest vom Rinderhuf, Schwein oder Huhn hinein. Fertig! Nahrhafte, kraftspendende und vor allem sehr billige Wegzehrung für Arbeiter und Reisende. Der für »Mäckes« industrialisierte Hamburger hat seine Vorläufer unter anderem in der sizilianischen Muffuletta, die seit der Frühantike bezeugt ist.
Die Pommes frites, das verrät der französische Name, sind in kochendem Fett frittierte Erdäpfel, Pommes de terre, also Kartoffeln. Die Kartoffel kam erst im 16. Jahrhundert vom südamerikanischen Kontinent in europäische Gefilde. Beide Schnellfutterprodukte lassen sich ohne Besteck aus der Hand im Stehen verzehren: Die Pommes rechts, das Fleischbrötchen links, in der Mitte die Cola, das vergleichsweise neueste Produkt. Eine Gewürzbrause schlürft sich durch einen Strohhalm aus dem Pappbecher. McDonald’s systematisierte und industrialisierte dieses Triptychon mit Reklame und Einheitsgestaltung (»Design«). Keine Gesichtskontrolle, keine Tischdecken, keine Teller, kein Kellner, kein Abspülen. Bestellen, bezahlen, fressen, wegwerfen, weitermachen.
Militärische Schnellnahrung
McDonald’s gilt seit Jahrzehnten als der Inbegriff der amerikanischen Massenkultur und des US-amerikanischen Kulturimperialismus. Der wirkt ökonomisch, sozial und kulturell extraktiv, das heißt auszehrend und verödend. Wo früher das Kleingeld der Reisenden an eine Vielzahl mal besserer, mal schlechterer Fressbuden und Kleinrestaurants im Familienbetrieb ging, hat die McDonald’s-Corporation einen Umsatz von rund 21 Milliarden US-Dollar, umgerechnet etwa 19 Milliarden Euro (im Jahr 2021 laut Unternehmensangaben). In Deutschland gibt es außer der Bratwurst praktisch keine einheimische volkstümliche Küche mehr. Aber jetzt kommt der Tusch.
Seit Ende der 1970er-Jahre tritt die türkische Dönerbude von Berlin aus einen fast weltweiten Siegeszug an – und das ohne Konzernzentrale mit zentralisierten und extraktiven Milliardenumsätzen. Kadir Nurman heißt der Erfinder der Weiterentwicklung des traditionellen Gerichts »mit und ohne Scharf« laut dem Verein türkischer Dönerhersteller in Europa ATDiD. Als Wegbereiter des Döners gilt Iskender Efendi aus der türkischen Stadt Bursa. Doch diese Männer begründeten kein Mc-Imperium mit Patenten und Einheitsgestaltung, sondern popularisierten eine Idee.
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