Das Gjallahorn

DYSTOPISCHE VORAHNUNG! Dieser Text wurde im Juli 2019 (!) geschrieben, als es noch keine Spur von der seit Monaten wütenden Pandemie gab. Der Autor hatte den Text vergessen - und im Dezember 2020 wiederentdeckt

Juli 2020. Der öffentlich rechtliche Rundfunk strahlt eine Dokumentation aus. Ein Gesprächspartner erzählt eine Geschichte, in deren Rahmen Straftaten verherrlicht - oder zumindest romantisch verklärt werden.

Obwohl es gerade die Jungen nötig hätten, denken zu lernen. Sie kommen, Wikipedia verblödet, aus den von wenigen Einsen und noch viel mehr Nullen geprägten Anstalten und Kommunikationswelten.

Jetzt streben sie danach, Bachelor zu werden. Die Hauptrolle in unserer globalen Reality Show. 

Denken zu lernen ist halt gar nicht zeitgemäß. Denkende Individuuen sind weit weniger leicht zu steuern, als die Masse, die sich lieber bespaßen lässt, als erziehen; lieber ausbilden, als bilden, am liebsten jedoch fernsteuern - von kybernetischen Exoparasiten.

Ja, eine Drohne hat heute jeder. Aber ich bin wieder einmal meiner Zeit voraus. Der unbemannte Luft-Lieferdienst hat mir erst vor wenigen Tagen das heiß ersehnte Prachtexemplar geliefert. Keine tote Materie, ein echtes, wenn auch winziges Lebewesen. Sie nennen es "muscaplorator", eine Ellipse aus den beiden lateinischen Begriffen musca (Fliege) und explorator (Spion). War schweineteuer.

Jetzt hat der Kasperl sogar angekündigt, dass wir Kinder   in eine "Phase der Eigenverantwortung" eintreten dürfen. Krawuzi-Kapuzi - das hat es im Kasperltheater noch nie gegeben. 

Die Zwergerlpartie ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Stichwort "Besetzungs-Autsch".

Das Krokodil hat ja schon von Anfang an die kompetente Echsin nehmen wollen, für die Kultur, aber dann hat sich so ein griesgrämiges Reptil den Posten geschnappt. Das Krokodil hat sein Maul unter Wasser gesteckt und sich gedacht: Sie weiß zuviel. Anders werd ich die Überwuzelte nicht los, ich muss sie scheitern lassen! 

Nur hat er nicht damit gerechnet, dass sie dafür so lange brauchen wird.

April 2020. Das neue Krokodil bekommt eine Hauptnebenrolle am Österreichischen Kasperltheater. Es erzeugt fleißig sein "Theaterschnauben". Auch die mit ihm verwandten Echsinnen jagen den Kindern Angst ein, während der in edles, pastellfarbiges Tuch gehüllte Kasperl zufrieden in seine Chirurgenmaske lächelt.