Zum Vorverständnis des Coronaszenarios
Ein Standpunkt von Dr. phil. Werner Köhne.
Teil 1.
Kleiner Einwand gegen ein Prinzip
Erfolg oder Scheitern: Die besten Romane der Weltliteratur haben uns eindrucksvoll vorgeführt, dass sich Scheitern und Niederlage besser erzählen lassen als Erfolg. Das könnte Gründe haben, welche die Intensität der damit verbundenen Erfahrung betreffen.
Vom Ende des Lebens aus betrachtet, folgt ohnehin jedem Erfolg eine Ernüchterung, ja es nagt an ihm eine existentiell spürbare Paradoxie: Dessen letzthinnige Unmöglichkeit. Welcher Sterbende würde in Zeiten einer erschöpften religiösen Heilsgeschichte noch sagen können: »Ich habe es geschafft – oder: Mein Leben ›endet‹ im Erfolg – zumal er nach dem erklommenen Gipfel ›faustischen‹ Strebens nicht mehr auf der Welt ist, um den Erfolg auszukosten.
Das wusste schon Goethes Faust, der nicht im Erfolg und einem unendlichen Glück, sondern allein im erfüllten Augenblick die Matrix des Lebens sah. Die Überlegung mag naiv und abwegig anmuten, zeigt jedoch ihre Wirkung, wenn man sich jahrtausende alte Fragen stellt, vor allem die: »Wohin gehen wir? Was erwartet uns? Und wohin können wir nicht mehr zurück?« Die kulturelle Überlieferung bietet keine Garantie mehr für ein »Es wird schon alles gut gehen«. Sie wirkt heute abgeschliffen bis zur Unkenntlichkeit.
Phänomenologisch betrachtet trifft hier zu, was allgemein für menschliches Leben gilt: Dem Erfolg folgt gemeinhin nach kurzem Hochgefühl eine innere Leere, die man vergeblich wegzudrücken versucht. Scheitern vermag dagegen ein Loslassen freizusetzen, eine Art Gelassenheit auch. Die schrille Fixierung auf den Erfolg und ein zähes »Weitermachen« in der Spur eines wahnhaften Fortschritts mündet heute nicht zufällig im gereizten Affekthaushalt derjenigen, die verbissen dem Coronanarrativ zuarbeiten.
In dieser modernen Erzählung vom Einbruch eines vermeintlich Unheimlichen ins normale Leben wird das oberste Ziel nicht am Glück des fragilen Menschen ausgerichtet, der scheitern kann, sondern an seiner puren Selbsterhaltung ohne weiteren Mehrwert an Sinn, als eben dem, sich selbst zu erhalten. Diese Festlegung wird heute bekanntlich umgesetzt mit den Mitteln einer zynisch betriebenen Gesundheitsdiktatur. Gerade die Unterwerfung des menschlichen Körpers unter die ausschließliche Regentschaft der Gesundheit macht es den Agenten des Transhumanismus so leicht, uns in die Fallstricke einer verbiesterten Moral- und Empörungskultur zu zwingen, worin wir alle Ziele der Aufklärung aufgeben.
Diese Kulturressourcen, darunter selbst religiöse Rituale des friedvollen Zusammenfindens, aber waren es doch, die das Leiden, die Vergeblichkeit und das Scheitern des Individuums immer wieder abmilderten und daraus Mentalitäten der zwanglosen Empathie für andere freisetzten. Was sollte sonst Humanismus bedeuten? Darum sollte es doch gehen: Die nicht auf Eigennutz zielende absichtslose Solidarität mit dem fragilen einzelnen Menschen setzt der gegenwärtigen moralingesäuerten Maßnahmenkultur des blinden »Richtigmachens« im Coronaszenario etwas essentiell Anderes entgegen. Gelebtes Leben ohne Panik, gebaut am Gestade des Glücks! Keines unendlich fortdauernden Glücks, aber eines von hoher tiefer Intensität.
Davon aber sind wir, die wir unter dem Diktat von Daten und Statistiken der verengten Lebensgestaltung stehen, weit entfernt. »Immerzu, immerzu« ist der Rhythmus dieses Daseins.
Ecce homo – oder eine ungewöhnliche Vision vom Menschen
In Ridley Scotts Film »The Blade Runner« kommt es zum Ende dieses Kultstreifens zum finalen Kampf. Der Jäger, der im Auftrag einer obersten Behörde agiert, soll den gefährlichsten der Replikanten zur Strecke bringen. Dieser war mit drei anderen seiner Bauart, von einem Planeten für Sklavenarbeiter geflohen, um ein Ziel zu verfolgen; die vier wollten ihren Konstrukteur – ihren »Vater«, wie sie ihn auch nennen,