Retain Young Professionals Podcast

005 Das Mitarbeiter-Commitment steigern und Talent Analytics ohne große Datensätze einsetzen: Prof. Patrick Müller zeigt, wie’s geht

10.20.2017 - By Daniel WalzerPlay

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Key Take-Aways Obwohl junge Leute aufgrund des demografischen Wandels eine immer rarer werdende Ressource sind, begreifen Unternehmen Retaining bislang nur nach klassischen Maßnahmen, wie Beförderung, Gehaltserhöhung o. Ä. Talent Analytics for Beginners: 1. Human-Resources-Controlling einführen, um nutzbare Daten zu generieren. 2. Frage stellen: Welches Thema brennt unter den Nägeln? 3. Übersicht: Welche Daten haben wir dazu? 4. Daten sammeln. 5. Talent Analytics darüber laufen lassen. „Lieber ein nicht so optimales Modell machen und schauen, was passiert, als ewig warten, dass wir in der Zukunft etwas Besseres haben. Diese Zukunft wird nicht kommen.“ (Prof. Müller)   Zur Person: Prof. Dr. Patrick Müller Professor an der Hochschule für Technik in Stuttgart, Promoton an der Uni Mannheim Tätig für diverse Beratungsgesellschaften in leitender Funktion Momentan im Forschungsfreisemester, Schwerpunkt: Talent Analytics und Commitment im HR-Bereich   Shownotes: Die wichtigsten Inhalte aus meinem Interview mit Prof. Müller Prof. Müller über den Status quo von HR und Retaining in Unternehmen Prof. Müllers Erfahrung zeigt, dass die grundlegende Situation in Unternehmen heutzutage geprägt ist von einer gewaltigen Implementierungslücke: Wir haben die richtige Idee, aber nicht die richtigen Leute, um sie umzusetzen. Prof. Müller empfiehlt solchen Unternehmen zwei Wege: Entweder suchen sie dezidiert nach den richtigen Leuten auf dem Arbeitsmarkt, was allerdings aufgrund der Knappheit der Talente schwierig ist. Oder die Unternehmen bilden die (vorhandenen) Leute aus oder um und erschaffen sich so die richtigen Leute für ihre Ideen.   Bislang wird in Unternehmen vor allem der Fokus auf Recruiting gelegt, viel zu wenig auf die Bindung von Mitarbeitern. Und wenn dies geschieht, dann meist nur nach klassischen und heutzutage nicht mehr allzu zeitgemäßen Maßnahmen: nur Beförderungen, Gehaltserhöhungen usw. Dabei ist die Mitarbeiterbindung, so der Professor, für Unternehmen unerlässlich: „Ein Unternehmen, das keine saubere Mitarbeiterbindung hat, ist wie wenn Sie versuchen, Wasser mit einem Eimer ohne Boden zu schöpfen.“ Deshalb empfiehlt Prof. Müller Unternehmen, mehr auf den Spaß der Mitarbeiter bei der Arbeit, mehr auf ein „Wow!-Was-haben-wir-alles-erreicht!“-Gefühl zu setzen. Zum Beispiel dadurch, dass man mit der Abteilung abends einfach mal feiern geht – auf Kosten des Unternehmens. Das Feiern der Unternehmens- bzw. Arbeitserfolge und die Anerkennung für die geleistete Arbeit sind gerade für Young Professionals aus der Generation Y oftmals viel wichtiger als Gehaltserhöhungen oder Titel.   Trotz des demografischen Wandels, der junge Leute zu einer immer knapperen Ressource aus Unternehmenssicht macht, verharren die Unternehmen in Altbewährtem und in Unkreativität bzw. Halbherzigkeit, wenn es um Mitarbeiterbindung geht: „Oftmals bleibt’s heute beim Aufstellen des obligatorischen Tischkickers und dann meint man, eine Unternehmenskultur etabliert oder verändert zu haben.“ (Prof. Müller)   Der Zyklus für Unternehmenswechsel schrumpft kontinuierlich: Waren früher noch fünf Jahre üblich, wird heutzutage gerne schon nach drei Jahren gewechselt. Für Prof. Müller ist diese Entwicklung allerdings keineswegs so eindeutig, wie es gegenwärtig immer dargestellt wird: Zum einen hat die hohe Mobilität der Mitarbeiter ihr Gutes, denn ein steter Wechsel sorgt für ständig frischen Wind im Unternehmen. Zum anderen ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt vielschichtiger als der für den Professor viel zu allgemeine Begriff des Fachkräftemangels suggeriert: „Es gibt keinen generellen Fachkräftemangel in Deutschland. Das ist z. T. sehr spezifisch auf einzelne Gruppen zugeschnitten. Oft fehlt es Unternehmen dabei an Phantasie, Leute einzustellen, die jetzt noch nicht ganz auf die Stelle passen.“   Prof. Müller über Talent Analytics: Was ist das überhaupt und wozu kann es Unternehmen nutzen? Prof. Müller definiert Talent Analytics (oder Talent Intelligence) kurz und knapp als die Erfassung und Analyse von personalbezogenen Daten in Unternehmen. Eine breite und sauber ausgewertete Datenbasis kann Unternehmen helfen, eine gute Unternehmensstrategie zu finden bzw. eine vorhandene zu optimieren. Talent Analytics dient also vornehmlich dem Management als praktische Entscheidungshilfe in bestimmten Situationen. Konkret gesagt: Talent Analytics ermöglicht die valide, weil auf einer guten Datenbasis stehende Entwicklung von Szenarien: Maßnahme x bringt in Situation y die Folge z für unsere Talent Base. Der Professor nennt die Charakterisierung des idealen Bewerbers als ein gutes Beispiel für den Einsatz von Talent Analytics. Wenngleich das ein klassisches Beispiel ist, sind aufgrund der technischen Mittel (Stichwort: Big Data) erst heutzutage die Mittel gegeben, Daten in ausreichender Menge zu sammeln. So können Unternehmen bspw. anhand von Freizeitaktivitäten ihrer Bewerber oder anhand der Trends in Social Media ihre idealen Bewerber konzipieren.   Prof. Müller über den Einsatz von Talent Analytics als Mittel zur Mitarbeiterbindung Talent Analytics können bspw. zur Errichtung eines Frühwarnsystems dienen, um eine Vorhersage zu ermöglichen, ob bei einem Mitarbeiter das gesteigerte Risiko besteht, das Unternehmen zu verlassen. Dies lässt sich an diversen, messbaren Indikatoren vorhersagen, wie die Dauer der Fehlzeiten, die Entwicklung der Verkaufszahlen, die Länge der Arbeitsverhältnisse in den Unternehmen, bei denen der Mitarbeiter beschäftigt war, etc. Hat man die Möglichkeit, diese Daten zu einer homogenen Basis zusammenzuführen, ergeben sich zuverlässige Mittel zur Einschätzung der Lage. Der Professor verweist allerdings auf viele rechtliche Hürden, da das Sammeln bzw. Zusammenführen bestimmter Daten in Deutschland rechtlich limitiert oder gar verboten ist. Allerdings sind Daten eben nur Daten. Sie brauchen jemanden, der sie liest und versteht. Da hapert es aus Sicht von Prof. Müller in Unternehmen deutlich. Die meisten Führungskräfte wüssten nicht, wie man mit den Daten richtig umgeht. Sie müssten darauf geschult werden, die Daten richtig auszuwerten und anschließend die richtigen Schlüsse zu ziehen. D. h.: Fähig sein, zu erkennen, weshalb bei einem Mitarbeiter ein gesteigertes Kündigungsrisiko besteht, ob es umkehrbar ist oder ob es vielleicht besser wäre, wenn der Mitarbeiter (vorerst) woanders hinwechselt. Dies ist ein zutiefst individueller Prozess, der bedingt, dass intensive Gespräche mit dem jeweiligen Mitarbeiter geführt werden, da hierfür keine Patentrezepte existieren.  Außerdem kritisiert Prof. Müller, dass Unternehmen heutzutage dazu neigen, ihre Data Scientists, also die Sammler und Analytiker von Talent Analytics, nicht für Retaining verwendet werden, sondern für Prozesse, die als geschäftsrelevanter gelten.   Prof. Müller über die konkrete Umsetzung von Talent Analytics als Retainig-Instrument Wie groß müssen die Daten sein, um Talent Analytics zu ermöglichen? Der Professor betont, dass dies einzelfallspezifisch ist. Manchmal reichen schon Mini-Stichproben (von um die 100 Leute), in anderen Fällen ist Big Data nötig: das Anlegen von Datenbanken mit Tausenden von Daten.   Wie sieht nun ein konkretes Umsetzen bzw. Implementieren von Talent Analytics im Unternehmen aus? Die Basis funktionierender Talent Analytics ist: die Existenz eines funktionierenden HR Controllings, um überhaupt erstmal nutzbare Daten zu generieren. Anschließend sollten Unternehmer sich fragen, welches Problem oder Thema ihnen gegenwärtig am meisten unter den Nägeln brennt. Dann ufern die Talent-Analytics-Bestrebungen nicht ins Endlose aus, sondern bleiben nutzbar und konkret, so der Professor. Ist das Thema festgelegt, soll eine Daten-Bestandsaufnahme durchgeführt werden: Über welche Daten verfügen wir gegenwärtig zu diesem Thema? Erst dann sollen (weitere) Daten gesammelt werden. Sind diese sauber gesammelt und in Datenbanken zusammengeführt, kann man mit seinen Talent-Analytics-Tools darübergehen.   Was aber, wenn das Modell noch nicht so ausgegoren ist? Wäre Warten auf bessere Modelle nicht sinnvoller? Nein, rät der Pragmatiker Müller: „Lieber ein nicht so optimales Modell machen und schauen, was passiert, als ewig warten, dass wir in der Zukunft etwas Besseres haben. Diese Zukunft wird nicht kommen.“   Prof. Müller über die Zukunft des Arbeitsmarktes: drei Thesen Der Professor stellt drei Thesen zum zukünftigen Arbeitsmarkt auf: Der Markt wird sich noch weiter differenzieren. So werden ohnehin schon gefragte Gruppen, wie IT-ler, noch nachgefragter werden, wohingegen es Gruppen geben wird, deren Standing zunehmend abnimmt. Dies betrifft all diejenigen, deren Jobs durch technische Entwicklung überholt bzw. abgeschafft werden. Allerdings, so betont Prof. Müller, kann man gegenwärtig noch nicht wirklich sagen, wen genau was betreffen bzw. wer in welche Gruppe fallen wird. Die Wirtschaft wird deutlich flexibler. Stichwort: Gig Economy. Unternehmen werden zunehmend offener für Unternehmenswechsel und flexible Arbeitsmodelle. So werden die Anstellungen von Freelancern und Zeitarbeitern bzw. kurzfristige Anstellungen weiter zunehmen. Auch die Kooperation von Abteilungen innerhalb der Unternehmen wird ansteigen, sodass mehr und mehr Mitarbeiter zwischen den einzelnen Abteilungen ‚ausgeliehen‘ werden oder gar ganz zwischen ihnen hin-und herwechseln. Kreativität wird sich auszahlen. Als Mittel, um diese Entwicklungen zu nutzen, sieht Professor Müller Neugier und Kreativität ganz oben: „Interessante Zeiten setzten neugierige Menschen voraus.“ Das heißt: Unternehmen werden verstärkt Entwicklung anschauen, offenbleiben, kritisch hinterfragen, mehr Flexibilität zulassen und Kooperationen vor allem auf Projektbasis zwischen den Abteilungen intensivieren.   Zum Schluss: Wie kannst Du Kontakt zu Prof. Müller aufnehmen? Prof. Müller hofft und freut sich darauf, von Dir zu hören. Gerne steht er als Berater für Deine Fragen zur Verfügung. Außerdem sucht er regelmäßig Unternehmen zur Durchführung seiner Studien – Du bekommst eine sachkundige wissenschaftliche Analyse Deines Unternehmens-Status-quo und Prof. Müller genug Daten, um eine wissenschaftliche Studie durchführen zu können. Win-Win für jeden. Deshalb: Nimm Kontakt auf zu Prof. Müller: [email protected]

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