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Der Dreh- und Angelpunkt | Von Klaus Schlichtmann


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Ein Standpunkt von Klaus Schlichtmann.


Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt apolut diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

Deutschland ist mehr als eine Spielfigur auf dem Schachbrett der Weltgeschichte — es könnte den Krieg beenden, wenn die Entscheidungsträger dies nur wollten.




Die ungesunde US-amerikanische Dominanz. Die maßlosen Forderungen der Ukraine. Das Eingebundensein in die gemeinschaftliche Außenpolitik der EU. Die Skrupellosigkeit „des Agressors“ Putin ... Begründungen dafür, dass sich Deutschland auf der Weltbühne so und nicht anders verhält, gibt es viele. Aber sind das nicht eher Ausflüchte? Ist Deutschland wirklich so klein und schwach, dass es sich ausschließlich als einen vom Wind der Geschichte Getriebenen verstehen dürfte? Wo bleiben Vernunft, Rückgrat und Eigenständigkeit? Ein Kurzdurchgang durch die letzten Jahrzehnte zeigt: Deutsche Politiker haben viele Chancen auf einen dauerhaften Frieden verstreichen lassen und sich lieber in riskante Manöver im Umgang mit dem großen östlichen Nachbarn gestürzt. Der Nachkriegs-Wahlspruch „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ hat sich längst aufgelöst und ist umgeschrieben worden in: „Gern wieder Krieg und Solidarität mit Faschisten“. Der Autor zeigt, wie Friedenspolitik an vielen Orten der Welt auf dem Rückzug ist und welche verhängnisvolle Rolle Deutschland dabei spielt.






„… nothing … should happen today in politics which would be contrary to the actually existing solidarity of mankind“ (Hannah Arendt).
Könnte das Eingeständnis historischer politischer Fehler helfen, den Krieg zu beenden und ein Zeichen setzen, um eine zukünftige Friedensordnung zu begründen. Das Beispiel der Haager Friedenskonferenzen, zu denen der russische Zar Nikolaus eingeladen hatte, und an denen alle zivilisierten Nationen der Welt, unter anderem auch Japan und China teilnahmen, zeigt, wie der deutsche Militarismus den Gang der Geschichte entscheidend prägte. Hauptanliegen war nicht das humanitäre Kriegsrecht (ius in bello), sondern die Abschaffung des Krieges (ius ad bellum). Die Konferenzen wollten den Rechtsweg zur Pflicht machen und den Waffengang verbieten.
Zweimal, 1899 und 1907, wurde über die für die friedliche Beilegung internationaler Streitigkeiten notwendige obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit abgestimmt. Es galt das Prinzip der Einstimmigkeit. Die USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China stimmten für das Obligatorium. Nur eine kleine Minderheit, angeführt von Deutschland, legte ein Veto ein. Der deutsche Kaiser kommentierte die Konferenzen:
„Ich sch... auf die ganzen Beschlüsse und vertraue nur auf Gott und mein scharfes Schwert.“ Es folgte der Erste Weltkrieg. Hermann Hesse schrieb 1917 im Schweizer Exil: „Gegen einen Frieden, der ... nicht ewig währen konnte, war man überall sehr eingenommen — wenn der ewige Friede nicht zu haben war, so zog man mit Entschiedenheit den ewigen Krieg vor.“ Eine Entschuldigung für das Haager Fiasko ist überfällig; sie könnte einer deutschen Friedensinitiative Gewicht verleihen.
Der deutsche Verfassungsgeber, in Erinnerung an die in Den Haag angestrebten Friedensziele, machte die Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit in Art. 24 obligatorisch. Dass die Bundesrepublik sich 1949 nicht umgehend der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes (IGH) ...
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