Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Nun wurde also Deutschland zum ersten Mal direkt durch den Krieg in der Ukraine getroffen. Allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von dem Angreifer, der in Deutschen Medien an die Wand gemalt wird. Der Westen ist propagandistisch gut aufgestellt, um auch außerhalb der NATO-Länder und den Verbündeten die Meinung zu beeinflussen. So hört man sogar in Afrika Aussagen von so genannten Fachleuten in westlich dominierten Medien, die den Eindruck aufkommen lassen, dass Russland seine eigenen Pipelines NorthStream1 und 2 gesprengt hätte. Daher sollten wir wieder hören, was außerhalb der Konfliktparteien von gut informierten Analysten ganz unaufgeregt und sachlich zu der Eskalation gesagt wird. Aber andererseits auch was die Referenden in den abtrünnigen Provinzen angeht, die zeitgleich die Gemüter im Westen glühen ließen.
Am 22. September 2022 erklärte der indische Ex-Diplomat M.K. Bhadrakumar „Warum das Ukraine-Referendum eine große Sache ist“. (1) Er schreibt, dass das Referendum vom 23. bis 27. September im Donbass und in den südlichen Regionen Cherson und Saporoschje über den Beitritt zur Russischen Föderation auf den ersten Blick nur die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der einheimischen Bevölkerung sei, die den vom Westen unterstützten Regimewechsel in Kiew im Jahr 2014 und den Aufstieg extrem nationalistischer Kräfte mit neonazistischen Tendenzen in der Machtstruktur ablehne. Tatsächlich habe es aber noch ganz andere Dimensionen.
Für Cherson und die Saporoschje-Kosaken sehe das Referendum drei aufeinander folgende Entscheidungen vor: Abspaltung dieser Gebiete von der Ukraine, Bildung eines unabhängigen Staates und Beitritt zur Russischen Föderation als Subjekt.
Im Jahr 2014 wurden alle rechtlichen Verfahren für die Aufnahme der Krim und Sewastopols in die Russische Föderation innerhalb von vier Tagen abgeschlossen, erklärt der Artikel. Auch dieses Mal sei ein zügiger Prozess zu erwarten. In Russland gebe es eine breite Unterstützung für die Wiedervereinigung mit der russischstämmigen Bevölkerung in den östlichen und südlichen Regionen der Ukraine, die in den vergangenen acht Jahren unter der brutalen Gewalt extremistischer ukrainischer Nationalisten, die den Staatsapparat kontrollieren, zu leiden hatte. Für die russische Bevölkerung sei dies ein sehr emotionales Thema.
In der Zeit nach dem Kalten Krieg habe der Westen bei der Zerschlagung des ehemaligen Jugoslawiens erstmals den Geist der Selbstbestimmung aus der Flasche gelassen. Aber obwohl die USA bereits zwischen 1999 und 2008 die Abspaltung des Kosovo von Serbien gefördert hatten, sei die Entität von der UNO immer noch nicht anerkannt worden. Serbien lehne die Abspaltung trotz des anhaltenden westlichen Drucks weiter ab.
Der Präzedenzfall Kosovo werde die westlichen Mächte jedoch nicht davon abhalten, den Beitritt von Regionen der Ukraine zur Russischen Föderation zu verurteilen. Die große Frage sei heute die nach dem russischen Kalkül. Präsident Wladimir Putin habe sicherlich einkalkuliert, dass der Beitritt der "russischen Regionen" in der Ost- und Südukraine in der Öffentlichkeit sehr populär ist. Er habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass er ein feines Gespür für die Hoffnungen und Bestrebungen seines Volkes hat. Die aufschlussreichsten (und maßgeblichen) Kommentare zu diesem Thema stammen vom ehemaligen Präsidenten Dmitri Medwedew, erklärt der Autor.
Medwedew sei der Meinung, dass diese Plebiszite "den Vektor der Entwicklung Russlands für Jahrzehnte völlig verändern. Und nicht nur unser Land. Denn nachdem sie (die Volksabstimmungen) abgehalten und die neuen Gebiete in Russland aufgenommen worden sind, wird die geopolitische Transformation in der Welt unumkehrbar werden." Vor allem aber habe Medwedew gewarnt: "Ein Übergriff auf das Territorium Russlands ist ein Verbrechen, dessen Begehung es erlaubt, alle Kräfte der Selbstverteidigung einzusetzen.