Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.
Nach seiner Wiederwahl zum Bundespräsidenten am 13. Februar 2022 hatte Frank-Walter Steinmeier nichts anderes zu tun, als dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in deutlichen Worten die Verantwortung für die Eskalation im Ukraine-Konflikt zuzuweisen. Er ließ sich sogar zu einem Appell an Putin "Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine"1) hinreißen. Unter großem Beifall der Bundesversammlung gab er Putin den Rat, nicht den Fehler zu machen, die Stärke der Demokratie – Klarheit, Abschreckung und Entschlossenheit – zu unterschätzen.
Mit seinem teutonischen Auftreten in seiner ersten Rede als wiedergewählter Präsident befeuerte Steinmeier in verantwortungsloser Weise den amerikanisch-russischen Konflikt.
Die NOZ titelte am 14. Februar „Der richtige Präsident zur richtigen Zeit“, und Ralf Schuler ging in seinem BILD-Kommentar „Diese Ansage hatte Wums!“ mit seiner Forderung „Dieser Rede müssen Taten folgen!“ noch weiter.2) Auf Steinmeier konnten sich bisher die transatlantischen Freunde verlassen.
Am 12. April 2022 wollte der deutsche Bundespräsident Steinmeier zusammen mit den Staatschefs von Polen, Litauen, Lettland und Estland von Warschau aus in die ukrainische Hauptstadt reisen, „um dort ein starkes Zeichen gemeinsamer europäischer Solidarität mit der Ukraine zu senden und zu setzen“, wie er in der polnischen Hauptstadt sagte. Doch dazu kam es nicht. „Ich war dazu bereit. Aber offenbar - und ich muss das zur Kenntnis nehmen - war das in Kiew nicht gewünscht.“3)
Was wurde dem deutschen Staatsoberhaupt vom ukrainischen Präsidenten Selenskyi vorgeworfen?
Unter anderem hatte Steinmeier bis zuletzt das deutsche-russische Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 verteidigt und noch vor dem 24. Februar 2022 in einem Interview mit der "Rheinischen Post" erklärt, dass die Energiebeziehungen "die letzte Brücke zwischen Russland und Europa" seien. Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs – dem offiziellen Ende der Pipeline-Pläne – entschuldigte Steinmeier sich für die Fehleinschätzung.
In Kiew hatte man augenscheinlich auch vergessen, dass im Zusammenhang mit den Ereignissen auf dem Maidan im Februar 2014 und der Flucht des gewählten ukrainischen Präsidenten Janukowitsch der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier in diesem vom Westen orchestrierten Regimechange mit die Fäden gezogen hatte.4) Steinmeiers Versprechen, dass die neuen Machthaber eine "inklusive" Regierung bilden, wurde nicht eingehalten. Dafür durfte die braune Swoboda-Partei im neuen Kiewer Kabinett sogar mehrere Minister, einen Vizepremier und den Generalstaatsanwalt stellen.5)
Am 25. Oktober 2022 gab es dann für Steinmeiers Reise nach Kiew grünes Licht. In der Ukraine verschaffte sich Steinmeier ein Bild von der Zerstörung durch den Angriffskrieg Russlands und besuchte dabei medienwirksam das nordukrainische Städtchen Korjukiwka nahe der belarussischen Grenze, das zu Beginn des Angriffskriegs von russischen Truppen besetzt wurde, und leistete den Menschen im Luftschutzkeller Gesellschaft. Danach machte er Selenskyi seine Aufwartung. Steinmeier sicherte Selenskyi die zügige Lieferung weiterer deutscher Waffensysteme zur Luftverteidigung zu. Weitere Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II und zusätzlich vier Panzerhaubitzen 2000 würden „zeitnah in den nächsten Tagen an die Ukraine übergeben“, sagte Steinmeier auf der gemeinsamen Pressekonferenz. Zuvor hatte er dem ukrainischen Volk die unerschütterliche Solidarität Deutschlands zugesichert.6)
Die von Steinmeier mit leichter Hand gemachten "Morgengaben" stellen einen Verstoß gegen Art. 59 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland dar.
Dort ist nachzulesen:
„(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich.