Zum 50. Geburtstag von Julian Assange fanden weltweit Mahnwachen statt — doch unter den sonst so „woken“ Studenten scheint er vergessen zu sein.
Ein Standpunkt von Nicolas Riedl.
Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!
Am 3. Juli 2021 wurde Julian Assange 50 Jahre alt. Diesen Geburtstag musste der Wikileaks-Enthüllungsjournalist jedoch im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh verbringen. Mit weltweiten Mahnwachen wurde versucht, in der Öffentlichkeit an seine Person und damit an seine Heldentaten sowie seine bis heute andauernde Folter zu erinnern. Wie gesagt: „versucht“. Denn gerade bei der Generation Z scheint Julian Assange komplett in Vergessenheit geraten zu sein. Falls man überhaupt je von ihm oder den brisanten Enthüllungen gehört hat. Das von US-Soldaten im Irak aufgezeichnete Metzelvideo „Collateral Murder“ ist hierbei nur das bekannteste Beispiel. Die Reaktionen der studentischen Passanten auf die Mahnwache vor der Ludwig-Maximilians-Universität in München stellt der Geschichtsvergessenheit einer ganzen Generation jedoch ein beschämendes Zeugnis aus. Eine Generation, die ihre wahren Helden vergisst, vergisst irgendwann auch die Freiheit, für die sich diese Helden aufgeopfert haben. Das geht so weit, dass sie sich nicht einmal mehr bewusst ist, dass es früher mal so etwas wie Freiheit gab.
Die Organisatoren der Münchner Mahnwache errichteten das kleine Veranstaltungsset auf dem schattigen Professor-Huber-Platz vor der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) unter grellem Sonnenschein und in milder Sommerluft. Ein Wetter, welches Julian schon seit Jahren nicht mehr erleben durfte. Die Mahnwache bestand aus einer Plakat-Installation und einer improvisatorisch errichteten Kulisse, die eine Guantanamo-Zelle darstellen sollte. In ihr saß, in einen orangefarbenen Gefangenen-Overall gekleidet und mit einer schwarzen Stofftüte auf dem Kopf, ein Mann auf einem Stuhl. Eine regungslose Inszenierung, die eines der Verbrechen darstellen sollte, die durch Wikileaks-Journalist Assange aufgedeckt wurden.
Die Mahnwache vor dem Gebäude der LMU München. Foto: Nicolas Riedl
Die etwa einstündige Mahnwache war dankenswerterweise kein Redenschwinger-Event. Drei Geigenspieler und -spielerinnen musizierten wunderschön und gedachten damit wortlos, aber vielsagend des Assange angetanen Unrechts. Die gesamte Inszenierung, im Besonderen die musikalische Darbietung, war durchgehend geschmack- und stilvoll. Davon könnten sich Querdenken und ähnliche Grundrechtsdemos eine Scheibe abschneiden; dort sind Schlagersongs keine Seltenheit.
Und apropos Querdenken und Co: Im Vergleich zu den eben genannten Demos war das Polizeiaufgebot bei dieser Veranstaltung — obwohl im Herzen der söder'schen Landeshauptstadt — minimal bis nicht existent. Lediglich wenige Minuten vor Veranstaltungsbeginn sah ein Streifenwagen nach dem Rechten und fuhr dann wieder weg. Es wurde nicht einmal der Maskenzwang kontrolliert.
Abseits der Mahnwache zeigte sich anhand der vorbeischlendernden Passanten, die meisten von ihnen Studenten, warum die sonst so rigide Exekutive Bayerns bei dieser Veranstaltung so leger unterwegs war. Während die Coronamaßnahmen-Kritikveranstaltungen an dem derzeit alles bestimmenden Narrativ kratzen und die Gefahr bergen, Menschen vom Corona-Kult abzubringen, verhielt es sich bei dieser Mahnwache gänzlich anders.
Kein Mensch wusste,