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Der verhinderte Frieden | Von Wolfgang Effenberger


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Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.
Mit einer gegen das ukrainische Polit-Establishment gerichteten Kampagne trat in der Stichwahl am 21. April 2019 der Schauspieler Wolodymyr Selenskyj gegen den vom Westen nach dem Maidan-Putsch in das Präsidentenamt gehievten einflussreichen Oligarchen Petro Poroschenko an. Selenskyi gewann die Wahl deutlich mit 73,22 % der Stimmen (die Wahlbeteiligung lag bei 61,37 %). Er hatte versprochen, den Krieg in der Ost­ukraine zu beenden und vor allem die wirtschaftliche Erholung voranzutreiben sowie die Korruption zu bekämpfen. Diese Pläne sprachen die "schweigende Mehrheit" an, also diejenigen Ukrainer, die sich mit der Losung "Armee, Sprache, Glaube" des damaligen Präsidenten Petro Poroschenko nicht identifizieren konnten.1) Selenskyis Bestrebungen, den Krieg in der Ostukraine friedlich beizulegen, zeigten anfangs Erfolge – sichtbar in den Gefangenenaustauschen im Dezember 2019 und April 2020 und in einer 2020 vereinbarten Waffenruhe – fanden aber in den westlichen Medien wenig Beachtung.
Ab Herbst 2020 stockte dann der Prozess und Anfang März 2021 wurden die ersten Bilder von ukrainischen Militärübungen im Westen veröffentlicht und die ukrainische Bevölkerung zielgerichtet auf einen Konflikt mit Russland eingestimmt.2)  Am 14. März titelte die FAZ: "Klitschko trainiert bei Schießübung Panzerabwehr".3) Zehn Tage später setzte Selenskyi die neue Militärdoktrin mit dem Ziel in Kraft, die Krim gewaltsam zurückzuerobern und den Konflikt im Donbass gewaltsam zu entscheiden. Am 7. Juni 2022 bekräftigte der ukrainische Präsident Volodimir Selenskyi gegenüber der "Financial Times", dass „der Sieg auf dem Schlachtfeld errungen werden muss".4) Was waren die Ursachen für die Kehrtwende Selenskyis?
Die Abkommen von Minsk
Nach dem letzten Normandie-Gipfel Anfang Dezember 2019 in Paris schien Selenkyi klar geworden zu sein, dass auf Seiten des Westens kein Interesse an der Umsetzung des Abkommens von Minsk besteht. Damit war ein Krieg mit Russland unvermeidbar geworden. Ende 2020 ließ Kiew die Kämpfe im Donbass wieder eskalieren, die NATO erhöhte ihre Truppenpräsenz in der Ukraine und forcierte Ausbildungsmissionen und NATO-Manöver, während Russland die Truppen an der Grenze zur Ukraine aufzustocken begann. Am 21. Juli 2021 kam mit der von US-Präsident Joe Biden und der deutsche Kanzlerin Angela Merkel unterschriebenen gemeinsamen Erklärung „zur Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele“ Hoffnung auf. Darin versicherten die Vereinigten Staaten


„ihre Unterstützung für die Bemühungen Deutschlands und Frankreichs, Frieden in der Ostukraine im Rahmen des Normandie-Formats zu erreichen. Deutschland wird seine Anstrengungen innerhalb des Normandie-Formats intensivieren, um die Umsetzung der "Minsker Vereinbarungen" zu ermöglichen.“5)

Diese Vereinbarungen (auch: Minsker Abkommen 6)) waren das Ergebnis internationaler Friedensbemühungen zu Beginn des Ostukraine-Konflikt.
Das Abkommen besteht aus mehreren Dokumenten, die im September 2014 und im Februar 2015 im Rahmen der "Trilateralen Kontaktgruppe" (OSZE, Russland, Ukraine) und mit Unterstützung des sog. "Normandie-Formats" 7) in Minsk ausgehandelt wurden und sollte dem Einfrieren der Kampfhandlungen und einer Entflechtung der Frontlinien dienen.8)
In der UN-Resolution 2202 vom 17. Februar 2015 wurde die ernste Besorgnis über die tragischen Ereignisse und die Gewalt in den östlichen Regionen der Ukraine zum Ausdruck gebracht, und die feste Überzeugung geäußert, dass der Konflikt in den östlichen Regionen der Ukraine nur durch eine friedliche Regelung der derzeitigen Krise beigelegt werden kann. Also wurden in der Resolution alle Parteien – Russische Föderation, Ukraine, Frankreich und Deutschland – aufgefordert, das Maßnahmenpaket, einschließlich der darin vorgesehenen umfassenden Waffenruhe, vollständig umzusetzen.9)
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