Ein Standpunkt von Uwe Kranz.
Deutschland bestätigt einmal mehr, wie kinderfeindlich es ist. Das sieht man nicht nur an der Fertilitätsrate von 1,51, die nicht nur aufgrund Lifestyle-Faktoren (Doppelverdiener/Karrierechance, Lebensalter/Kinderwunsch, persönliche Null-/Ein-Kind-Politik), gesundheitlicher oder hormoneller Ursachen stetig sinkt. Ein Kind wird heute eher als Belastung, als Kosten-/CO2-Faktor oder als störendes Hemmnis für die berufliche oder persönliche Entwicklung angesehen, denn als Bereicherung des Lebens, als Glücksfall oder als göttlicher Segen. Dereinst werden unsere Kinder wohl die Toten beneiden.
Kinderarmut
Das sieht man an den Zahlen des jüngsten Armutsberichtes der Bertelsmann-Stiftung: Mehr als jedes fünfte Kind wächst in Deutschland in Armut auf; das sind 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Die Kinder- und Jugendarmut verharrt seit Jahren auf diesem hohen Niveau. Kriege und Corona-Krise verschärfen zwar die Lage, Kinderarmut ist jedoch seit Jahren ein ungelöstes strukturelles und auch stetig steigendes Problem in Deutschland. Die Vermeidung von Kinderarmut müsste gerade jetzt Priorität haben.
Kindervergewaltigung
Man sieht es an den Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik: Täglich werden rund 50 Minderjährige Opfer sexueller Gewalt. Die statistisch erfassten Fallzahlen der Darstellungen sexueller Gewalt (sogenannte „Kinderpornographie”) 2021 verdoppelte sich gegenüber dem Vorjahr (plus 108,8 Prozent). Das Dunkelfeld ist aber immer noch immens. Schwerste Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche sind alarmierend, die Opfer werden immer jünger (inzwischen müssen sogar Säuglinge registriert werden), am häufigsten betroffen sind Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter. Immer häufiger werden pädophile Netzwerke aufgedeckt, in denen so genannte “Top-Eliten“ unserer Gesellschaft verwoben sind. Die sich seit Jahrzehnten dahinschleppenden Reformen in Gesetzgebung, Politik, Strafverfolgungsbehörden und Verwaltung sind allenfalls ein sozial- und rechtsstaatliches Armutszeugnis.
Kindeswohl und NPI
Man sah es in den vergangenen zwei Jahren, in denen die Interessen der Kinder und Jugendliche zurückgestellt, ignoriert und schließlich sogar mit Füßen getreten wurden: Kita- und Schulschließungen, mangelhaftes Management von Präsenz-, Heim- und Fernunterricht, Marathon-Testpflichten, Vollzeit-Maskenpflicht ohne Pausen, Zwangslüftung bei Minusgraden im Wintermantel, Finanzierungsprobleme zur Behebung gravierende Digitalisierungsmängel, Testausstattung und zur Montage von Luftfilteranlagen, Bund-Länder-Kommunen- Kompetenzgerangel, Lockdowns, Spiel- und Sportplatzverbote, zunehmend Betten- /Pflegermangel und monatelange Wartezeiten bis hin zur Triage in pädiatrischen Kinder- und Jugend-Zentren, -Sektionen und -Spezialambulanzen, steigende und unterdrückte Fallzahlen von Depressionen, Suizidversuchen und vollendeten Suiziden Minderjähriger. Wer kennt schon die – oftmals vielleicht rettende – Telefonnummer 0800-1110111 („Kummer-Nummer”) und wer trägt zu ihrer Verbreitung aktiv bei? Gerade für Kinder gilt, wenigstens die Sinnhaftigkeit der NPI-Maßnahmen („nicht-pharmakologischen Interventionen„) schnellstmöglich und umfassend bis zum gesetzlichen Termin am 30. Juni 2022 zu evaluieren, statt dies mit fadenscheinigen Begründungen noch länger aufzuschieben. Fakt ist: Wir haben fast eine ganze Generation verloren. Und dies wird politisch kaum thematisiert.
Kinderimpfung
Man sieht es auch an der jüngsten und für mich geradezu empörenden Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko), die sich angeblich „nach sorgfältiger Abwägung der Krankheitslast durch COVID-19, der Belastung durch die pandemiebedingten Restriktionen, der Impfeffektivität und der möglichen Komplikationen einer SARS-CoV-2-Impfung“ eine generelle und zunächst einmalige Impfempfehlung für 5- bis 11-jährige Kinder mit intaktem Immunsystem ausgesprochen hat.