Auf die Hygienemaßnahmen folgt nun der Energiesparzwang — obwohl sich in der Politik seit Jahren alles um die Gesundheit dreht, machen niedrige Heiztemperaturen die Menschen krank.
Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt apolut diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!
Ein Standpunkt von Friedrich Pürner.
Was gab es während der Pandemie für ein Gezeter. Neben Hygienevorschriften wurden Lüftungskonzepte gebastelt und — Achtung Wortspiel — eiskalt durchgezogen. Schüler saßen bei offenem Fenster mit Mütze, Schal und Jacke im Unterricht. Ungefragt froren sie für die Solidarität. Aber auch für Büros in öffentlichen Gebäuden waren Konzepte entworfen und minutiös beachtet worden. Hausmeister und eigens dafür beförderte Firmenkollegen achteten auf die Einhaltung der Regeln, führten Liste über erfolgte Lüftperioden und mahnten zum sogenannten Stoß- oder auch Querlüften. Nun ist die Pandemie — wie man weiß — fast Geschichte. Die Lüftungskonzepte haben ausgedient. Ersetzt wurden diese nun durch die sogenannte „19-Grad-Regel“. Im feinstem Jura-Jargon wurde diese Verordnung mit dem wohlklingenden Namen „Kurzfristenenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung — EnSikuMaV“ versehen. Dieses Wortmonster lässt nichts Gutes erahnen. Die Verordnung regelt Maßnahmen zur Energieeinsparung in Gebäuden. Mit anderen Worten: Sie regelt, wann wir frieren — oder eben nicht.
Regeln der Temperatur
Nach der EnSikuMaV darf im Arbeitsraum in einem öffentlichen Nichtwohngebäude die Lufttemperatur für körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeit auf höchstens 19 Grad Celsius geheizt werden. So regelt dies § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung. Aber wer regelt nun tatsächlich die Temperatur? In vielen öffentlichen Gebäuden — vor allem in denen der Verwaltung — sind Modernisierungsarbeiten regelmäßig ausgeblieben. Hohe, unterkellerte Räume ohne digitalisierte Heizungsregler sind eher die Regel als die Ausnahme. Diese Räume speichern zuverlässig Kälte und Feuchte. Es bedarf der Hilfe eines Hausmeisters, um die Zimmertemperatur korrekt abzulesen. Eine Unterschreitung der maximal erlaubten 19 Grad ist keine Seltenheit. Und so frieren nun Büromitarbeiter für die Ukraine. Mit dicken Jacken, Stiefeln, Decken, Heizlüfter und Wärmflaschen behelfen sich die Ausgekühlten. Kann das Sinn machen? Ich meine: Nein — und meine damit die Verordnung!
Auf den ersten Blick erscheinen 19 Grad nicht so schlimm. Kann man schon aushalten, möchte man meinen. Und so argumentieren auch die erbarmungslosen Verfechter dieser Maßnahme. Immerhin — so wird rechtfertigt — fröre der Bauarbeiter auf dem zugigen Bau ja auch. Da soll man mal als Bürosachbearbeiter nicht so verweichlicht sein. Aus ärztlicher Sicht muss ich hier allerdings Bedenken anmelden. Die Bürotätigkeit ist keine schwere körperliche Arbeit. Die Tätigkeit erfolgt überwiegend im Sitzen. Der unbewegte Körper kühlt schnell aus. Zwiebellook kann dagegen helfen, das ist richtig. Trotzdem mag sich bei dauerhaften 19 Grad und den dem Winter immanenten, immer tiefer sinkenden Außentemperaturen keine rechte Betriebstemperatur einstellen. Arbeitsgeschwindigkeit und Arbeitsmoral leiden. Auf den Fluren kann man sich auch nicht mehr aufhalten, denn dort darf gemäß der Verordnung nun gar nicht mehr geheizt werden. Welch ein Malheur.
Wärmflaschen, Heizdecken und Heizlüfter
Dass Büromitarbeiter diese Kälte bei der Arbeit nicht so einfach hinnehmen,