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Die Gerichte und die Redefreiheit | Helge Buttkereit


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Ein Kommentar von Helge Buttkereit.


Seit Beginn des offenen Krieges in der Ukraine häufen sich in Deutschland juristische Ermittlungen. Der Vorwurf: Billigung eines Angriffskrieges. Anfang des Jahres hat der Berliner Friedensaktivist Heinrich Bücker einen Strafbefehl wegen einer Rede erhalten. Der Fall kam in der vergangenen Woche sogar im UN-Sicherheitsrat zur Sprache. Bücker wehrt sich gegen die Repressalien. Auch weitere ähnlich gelagerte Verfahren werden derzeit geführt.

Die Rechtssicherheit in Deutschland sei in Gefahr, das psychische Klima aufgehetzt. Diese Situation sei nicht zuletzt verursacht durch eine Rede von Heinrich Bücker, die der Friedensaktivist am 22. Juni vergangenen Jahres gehalten hat. Dabei habe er einem Angriffskrieg zugestimmt. Das soll nun Einfluss auf die Rechtssicherheit und das psychische Klima haben. So zumindest beurteilt es ein Richter am Amtsgericht Tiergarten in Berlin.
Was war geschehen? Bücker war mit anderen Friedensaktivisten zum sowjetischen Ehrenmal gekommen. Dort sollte an den deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Jahr 1941 erinnert werden. Das Treffen hatte weitreichende Folgen.
Ein Anwalt aus großer Kanzlei wurde auf die Versammlung aufmerksam, hat Heinrich Bücker angezeigt und gleich noch eine Stellungnahme auf Bückers Website moniert. Rede und Stellungnahme erwecken den Eindruck, Bücker rechtfertige den russischen Angriff auf die Ukraine, heißt es in der Anzeige.
Anfang dieses Jahres erhielt Bücker nun einen Strafbefehl über 40 Tagessätze je 50 Euro, also insgesamt 2000 Euro – mit der oben skizzierten Begründung. Dagegen hat der Beschuldigte Widerspruch eingelegt, er wehrt sich gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Jetzt wird seine Rede möglicherweise vor Gericht verhandelt. Vergangene Woche war der Fall sogar Thema im UN-Sicherheitsrat. Der ehemalige CIA-Mitarbeiter und heutige Antikriegs-Aktivist Raymond McGovern erwähnte den Fall Bücker, als er bei der Sitzung am 21. Februar auf russische Einladung zu den Recherchen von Seymour Hersh Stellung nahm. McGovern berichtete dabei von Friedensdemonstrationen in Deutschland, in denen „Verhandeln statt Schießen“ gefordert werde. Das komme allerdings nicht sehr gut an, sagte er, wies auf das Strafmandat für Bücker hin und kritisierte den Eingriff in die Meinungsfreiheit. (1)
Aber nicht nur gegen Heinrich Bücker, der seit vielen Jahren das Coop Anti-War Café in Berlin-Mitte betreibt, gehen deutsche Gerichte vor. So fiel kürzlich in Bautzen ein Urteil über die Verwendung des Buchstabens „Z“, der mit dem Ukraine-Krieg und Russland in Verbindung gebracht wird. In Hamburg wird demnächst ein Oberlandesgericht über die Revision in einem ähnlich gelagerten Fall entscheiden. Das Vorgehen der Gerichte wird von einigen Juristen kritisiert.
Verständnis für das russische Vorgehen
Bevor wir uns aber mit diesen anderen Fällen und der juristischen Einschätzung beschäftigen, schauen wir noch einmal genauer auf den Fall von Heinrich Bücker. Er hat mittlerweile einiges an Medienecho nach sich gezogen. Linke deutsche Medien berichteten über das Verfahren und auch in anderen Ländern wurde der Strafbefehl thematisiert. Zuletzt war ein chinesischer Fernsehsender im Berliner Café vor Ort. Eine Übersicht bietet Heinrich Bücker selbst auf der Website des Coop Anti-War Cafés.(2) Dort findet sich auch eine Textversion der Rede sowie ein Link zu einem Video, das die Aktion vor Ort dokumentiert. Bücker wird jetzt ausgerechnet jener Abschnitt vorgeworfen, in dem er an den deutschen Überfall auf die Sowjetunion und die Millionen Toten erinnerte und dazu aufrief, nie wieder gegen Russland die Waffen zu erheben.


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