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Die Geschichte vom Bären im Stadtwappen von Esens – Friesenzeit #13


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  • Jürgen Jester
    (Sprecher)

      Die Friesenzeit ist zurück mit einer neuen Sage von der Nordseeküste. Heute mit der Nummer 13, die sich aber eher als Glücksfall entwickeln soll.

      Ich freue mich besonders, dass ich euch heute mit nach Esens einladen darf. Ein ganz besonders charmantes Städtchen hier in Ostfriesland und nur etwas mehr als den typisch sprichwörtlichen „Steinwurf“ von der Küste entfernt. Es war auch wieder längst Zeit für eine neue Folge, leider spielt das Leben einem aber nicht immer so ideal in die Karten, wie man es gerne möchte. Trotzdem hoffe ich, ein paar Menschen da draußen an den Empfangsgeräten mit der Folge glücklich zu machen oder dazu zu bringen, in Esens einmal anzuhalten … es lohnt sich die hübsche Stadt in allen Facetten zu entdecken.

      Aber genug der Worte – wer mitlesen will, hier ist der Text der von mir neu verfassten Legende, die ich wie immer für den Podcast neu ausgearbeitet habe. Das (kurze) Original findest Du am Ende in den Quellen auf der Wikipedia Seite zu Esens. Des Weiteren begegnete mir die Sage in zwei weiteren Büchern, die die diese Geschichte mit wenig Unterschieden erzählen. Daher wieder die Essenz aller in einer neuen Geschichte, viel Spaß.

      „Der Bär im Stadtwappen von Esens“

      Willkommen bei Friesenzeit – weiter geht es mit neuen Geschichten und Sagen unserer schönen Nordseeküste.

      Heute führt uns unsere Reise in die Vergangenheit nach Esens, einer kleinen Stadt in Ostfriesland, nur wenige Kilometer von Bensersiel und der See entfernt.
      Wer hier durch die Altstadt spaziert, wundert sich vielleicht über die vielen Statuen von Bären. Ja und wer nun am Rathaus auf das Wappen blickt, erkennt dort ebenfalls einen Bären. Aufrecht stehend auf einem Turm, hält dieser einen Ziegelstein in den Pranken.
      Ein ungewöhnliches Zeichen – und doch erzählt es von einem Augenblick der Stadtgeschichte, in dem Mut, etwas glücklicher Zufall und ein hungriges Tier das Schicksal der Stadt Esens veränderten.

      Die Legende stammt aus einer Zeit, als man sich noch mit Mauern vor Belagerern schützte und als Krieg und Hunger leider beinahe überall im Land zum Alltag gehörten.

      So lehnt euch zurück, macht es euch gemütlich – und lauscht der Geschichte vom Bären im Stadtwappen von Esens.

      Beginnen wir unsere Reise in die Vergangenheit auf dem Marktplatz des hübschen Küstenstädtchens. Hier stehen mehrere Bären und hält Wache. Viele gehen achtlos daran vorbei oder machen lustige Selfies – doch hinter diesem Tierzeichen verbirgt sich eine Geschichte, die so wunderbar ist, dass man sie kaum glauben mag.

      Seiner Zeit war der tapfere Junker Balthasar der Herr von Esens. Leider lag zu jener Zeit kein Frieden über der Region. Immer wieder wurde geplündert oder geraubt, weshalb Esens zu dieser Zeit noch von hohen Mauern umgeben war.

      In dieser unruhigen Zeit erschien ein Bärenführer in Esens – ein einfacher Mann, der mit seinem Tier durch die Lande zog, um die Menschen zu unterhalten. Der Bär, ein mächtiges Tier mit dunklem Fell und klugen Augen, war an Menschen gewöhnt, doch das Leben als Schausteller war hart.

      Und immer wieder gerieten Nachbarn in Streit um Land, um Macht oder um Ehre. Und so kam ein neuer Krieg direkt vor die Tore der Stadt.

      Der Reisende hoffte mit seinem Bären, im geschäftigen Esens ein paar Münzen zu verdienen, doch sein Besuch fiel in die schlimmste Stunde: Die Feinde des Junkers hatten die Stadt in Windeseile umzingelt. Niemand durfte mehr hinaus, niemand hinein. Und auch der Bärenführer war in der Falle – und mit ihm sein Tier.

      Schnell hatte man in der Stadt andere Sorgen. So sperrte man den Bären in einen alten Turm der Stadtmauer, um ihn sicher zu verwahren.

      Die Belagerung dauerte jedoch an, Tag um Tag, Woche um Woche. Die Vorräte der kleinen Stadt wurden knapp. Brot, Fleisch, selbst Wasser – alles schwand.

      Die Leute in Esens wurden immer verzweifelter und in den Nächten, wenn das Feuer der Belagerer draußen glomm und der Wind durch die Gassen pfiff, hörte man manchmal das dumpfe Brummen des eingesperrten Bären.
      Seit ein paar Tagen dachte keiner mehr an das Tier. Es gab nichtmal mehr Brotkrumen, an Fleisch war nichtmehr zu denken – nichts wurde dem Tier gebracht.
      Das Tier, einst zahm und stark, wurde immer unruhiger, schlug gegen die Mauern und suchte nach einem Ausweg.

      Der alte Turm, in dem der Bär eingesperrt war, hatte eine schmale Wendeltreppe, die sich nach oben wand – so eng, dass kaum ein Mensch sie hinaufging.

      Doch der Hunger machte den Bären beinahe wahnsinnig. Er setzte eine Tatze auf die erste Stufe, dann die nächste. Stöhnend, schwerfällig, Schritt für Schritt kämpfte er sich hinauf – bis plötzlich Licht durch eine Ritze fiel und vielleicht der Geruch vom Gelage der Belagerer.
      Das war sicher zuviel und das Tier schlug die Holzluke entzwei – nur um einen AUgenblick später auf dem Mauerturm, unter freiem Himmel zu stehen und auf die Feinde im Lager vor der Mauer zu blicken: Männer mit Helmen, Speeren, Zelten und … rauchenden Kochfeuern, die den Geruch zu ihm trugen.
      Für den Bären war das kein Anblick von Krieg, sondern der Verzweiflung – er wollte etwas zu Essen, er wollte leben. Er richtete sich auf, stellte sich auf die Hinterbeine und brüllte in seinem hungrigen Zorn. Vor Wut drosch er auf die Mauerbrüstung ein, so daß einige Ziegelsteine davonflogen.

      Ein Schrei, roh und tief wie Donner, rollte über die Felder.

      Unten, im Lager der Belagerer, fuhren die Männer erschrocken zusammen.

      „Was war das?“

      „Ein großer Bär – auf dem Turm?“

      Sie konnten es kaum glauben. Der dunkle Riese stand dort oben, aufgerichtet, mächtig, als würde er die Stadt selbst verteidigen.

      Sofort wurde spekuliert: „Die Esenser haben noch so viel Nahrung, dass sie sogar einen Bären füttern!“, „Die hungern nicht – die verhöhnen uns!“

      Und weil ihre eigenen Vorräte ebenfalls schwanden, glaubten sie, der Kampf sei aussichtslos. Noch in derselben Nacht packten sie ihre Waffen, löschten ihre Feuer – und zogen ab.

      Am nächsten Morgen traute Ritter Balthasar seinen Augen nicht: Die Feinde waren fort und die Stadt war wieder frei.

      Er ritt selbst hinaus, um sich zu vergewissern. Nur der salzige Küstenwind wehte über die Hinterlassenschaften des leeren Lagers.

      Dann hörte man wieder das Brüllen – diesmal schwächer, müder.

      Der Bär stand noch immer auf dem Turm, erschöpft, halb verhungert, aber lebendig.

      Als man schließlich erkannte, warum die Belagerer aufgebrochen waren, folgte die Zeit des Bären. Man kümmerte sich natürlich bestens um das Tier und teilte die Kunde, dass dieses Tier die Stadt gerettet hatte.

      Der Junker ließ den Bären im Triumph durch Esens führen. Die Menschen jubelten, Kinder stoben durch die Gassen und die Glocken läuteten zu diesem Feiertag.

      Zum Dank für diese unbewusste Heldentat beschloss man, den Bären in das Stadtwappen aufzunehmen – als Zeichen des Mutes, der Standhaftigkeit und vielleicht auch des kleinen Wunders, das manchmal mitten in der Not geschieht.

      Und so trägt Esens bis heute den Bären im Wappen.

      Wenn man also einmal dort ist und ihn sieht – auf den Wappen, den Fahnen, oder in Form von Stauen in der ganzen Stadt, dann denk mal an diese Geschichte zurück, an dem ein vergessener, hungriger Bär zur Rettung einer Stadt wurde.

      Und an die stille Botschaft, die vielleicht durch diese Legende sagen möchte:

      oft kommt die Hilfe von dort, wo niemand sie erwartet.

      Danke, dass Du mit mir nach Esens gekommen bist,

      dem kleinen Städtchen, das einen ganz besonderen Stellenwert in meinem und dem Herzen meiner Familie hat.

      Für mehr Hintergundinformationen oder falls Du Lust hast,

      eine Geschichte zu teilen,
      Du findest mich auf Instagram und Mastodon.

      Bis bald, wenn es wieder heißt – Willkommen zur Friesenzeit.

      Quellen:

      Esens auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Esens

      Esens Homepage https://www.esens.de/

      Musik: Phat Phong Studio

      Der Beitrag Die Geschichte vom Bären im Stadtwappen von Esens – Friesenzeit #13 erschien zuerst auf Nakieken.

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