Wenn ich im Alltag unterwegs bin und auf die Frage antworte welchen Beruf ich habe, dann reagieren die meisten Personen so, als würden sie sich bei etwas verbotenem ertappt fühlen, fassen sich erschrocken an ihren Körper und fragen mich danach, ob sie zu dick seien oder sind sofort mit allerlei Sachfragen dabei.
Manche zucken auch innerlich zusammen und beginnen automatisch sich zu rechtfertigen, warum, sie, wie, essen und trinken und welche Ernährungsthemen sie bewegen oder welche gesundheitlichen Probleme sie plagen. Welche Rezepte sie ausprobiert haben und welche Lebensmittel sie nur noch essen, weil die ja so gesund seien. Oder auch - besonders beliebt - wenn ein Familienmitglied dazu gebracht werden soll sich anders zu ernähren, weil die fragende Person findet, das muss jetzt so sein, über den Willen des Betroffenen hinweg. Schon ziemlich komisch finde ich…
Wildfremde erzählen mir dann, mehr oder weniger ungefragt, binnen kürzester Zeit von ihrem Privatleben, ihrer Familie, dem Lieben und Essen und Trinken. Als Therapeutin habe ich wohl irgendwie den richtigen Beruf ergriffen, da ich offensichtlich eine Art ausstrahle die, die Personen dazu veranlasst, sich mir schnell anzuvertrauen. Ich bin immer wieder aufs Neue überrascht, wie schnell eine vertrauensvolle Gesprächsbasis entsteht.
Aber diese Alltagssituationen in denen zwischen Tür und Angel schnell mal eine Ernährungsberatung oder Therapieempfehlung erwartet wird empfinde ich oft als unangenehm und vermeide ich gerne. Besonders skurril wird das während eines Geschäftsessens.
Dann geht die Fragerei erst recht weiter, ob die Personen eine gesunde Speisenauswahl getroffen hätten, was sie denn gesundes essen sollten oder was ich empfehlen könnte.
Ich selbst werde dann prüfend beäugt, was ich so auswähle, wie ich esse und was ich nicht, was ich auch einfach mal beiseite schiebe, weil es mir einfach nicht schmeckt. Natürlich dann begleitet von kritischen Kommentaren, erst recht, wenn es um etwas ungesundes geht, nach Auffassung meiner Umwelt.
Denn anders als mein Umfeld es erwartet, spiele ich keine Ernährungspolizei.
Ich begutachte nicht ständig was andere essen und trinken. Es interessiert mich im Alltag genau genommen überhaupt nicht. Erst, wenn ich quasi dazu beauftragt bin um mich zu interessieren oder es mir zufällig ins Auge springt, wie häufig beim Einkaufen an der Kasse.
Wenn ich dann im Alltag die Möglichkeit habe und es auch ins Gespräch passt, rücke ich schon den ein oder anderen Punkt ins rechte Licht.
Damit angefangen, dass ich gar keine Ernährungsberaterin bin. Sondern Diätassistentin und es bei mir auch keine Diät gibt. Das Wort Diät, eigentlich nur „Kostform“ bedeutet, also die passende Ernährungsvariante im übertragenen Sinne, und aus dem griechischen kommt.
Was sich halt im Alltagsgebrauch leider im Sinne des negativen Verzichts bei einer Diät eingebürgert hat.
Und dann sag ich auch dazu, dass ich überhaupt nichts kontrolliere oder verbiete. Ganz im Gegenteil. Und meine Arbeit weit über das Gewichtsmanagement hinaus geht. Denn es gibt noch so viel mehr Indikationen (also Gegebenheiten für eine Ernährungsbehandlung), wie z.B. die Frauengesundheit, Stoffwechselerkrankungen, Sporternährung und so weiter.
Je länger ich mich dann mit den Personen unterhalte, desto erstaunter werden sie und lauschen gebannt meinen Ausführungen. Nicht weil ich mich in der Vordergrund dränge, sondern weil sie diese und noch mehr Ernährungsinfos so noch nie gehört haben.
Sie finden es spannend, dass ich unbekannte Ernährungs-Facetten und Zusammenhänge aufzeige, um dann feststellen:
dass Ernährung und gerade die Ernährungsberatung oder -therapie
eine komplexe Angelegenheit sind und einiges an Wissen benötigt.
„Das besprechen wir dann mal in Ruhe“ - kommt dann regelmäßig in den Alltagsgesprächen als Abschlusssatz. Was ich rundherum befürworte, denn genau das braucht es damit Ernährungsberatungen oder -therapien wirksam sind.