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Die Russen, die Deutschen und der Krieg | Von Tom J. Wellbrock


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Wieso sind ausgerechnet die Deutschen so willig, eine Eskalation nach der anderen gegen Russland zu initiieren? An der Ukraine liegt es nicht, das kann man sicher sagen. Denn das, was dort angeblich verteidigt wird – Demokratie, Freiheit, Friede, Freude und natürlich Eierkuchen – mag in der Tagesschau-Redaktion, in den SPIEGEL-Redaktionsstuben und an den Mikros der Radiostationen existieren. In der Ukraine sieht das Bild dagegen anders aus.
Ein Standpunkt von Tom J. Wellbrock.
Warum also sind die Deutschen so scharf auf Krieg?
Bevor es an den Versuch einer Analyse über die Deutschen und ihr Verhältnis zum Krieg geht, sei vorausgeschickt, dass es „die Deutschen“ natürlich nicht gibt. Es gibt hierzulande Abstufungen in Bezug auf die Einordnung zum Ukraine-Krieg. Doch in den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass sich selbst vermeintlich Linke oder andere progressive Kräfte erstaunlich offen für das deutsche Eingreifen positionieren, schwere Waffen inklusive. Auf den ersten Blick scheint das nachvollziehbar zu sein, es fällt leicht, sich gegen einen Aggressor aufzustellen, der ein Land überfällt. Doch erstens ist die westliche bzw. deutsche Empörung bei den zahllosen Angriffskriegen und sonstigen Interventionen des Westens in dieser drastischen Form faktisch nie geäußert worden. Und zweitens könnten Emotionen, die tief vergraben sind, eine Rolle spielen.
Und hiermit beginnt der Versuch der Analyse.
Die Russen und der Krieg
Für die Russen ist der 9. Mai ein ganz besonderer Tag, das ist bekannt. Der Sieg über die Nationalsozialisten war keine Selbstverständlichkeit, und die Tatsache, dass der Überfall der Deutschen auf Russland nicht einmal mit einer Kriegserklärung eingeleitet wurde, führte zu einem Überraschungsmoment, das den Russen erhebliche Nachteile bescherte und den Widerstand entsprechend erschwerte.
Umso stolzer sind die Russen noch heute auf die Leistung der Roten Armee, die den Nazis die Stirn bot. Wenn Hunderttausende durch Moskau laufen und die gefallenen Kriegshelden und Familienangehörigen auf Bildern durch die Straßen tragen, so sind sie immer mit einer Träne im Auge unterwegs, denn kaum eine Familie hat keine Opfer zu beklagen. Und so wird ihnen gedacht, und in die Tränen mischt sich Stolz.
Drei Aspekte zeichnen die russische Haltung zum Zweiten Weltkrieg aus:


Die Russen wurden angegriffen
Sie wurden gewissermaßen vom personifizierten Bösen attackiert
Sie haben dieses Böse besiegt

Diese drei Aspekte sind entscheidend für das, was wir heute erleben, dazu weiter unten mehr.
Der Stolz und der Patriotismus der Russen, wenn sie den 9. Mai feiern und den Opfern gedenken, werden in Deutschland gern als Nationalismus ausgelegt, nach dem Beginn des aktuellen Krieges in der Ukraine ohnehin. Doch das ist eine Fehleinschätzung. Man wird auf dem Marsch des „Unsterblichen Regiments“ faktisch keine Parolen finden, die über das Thema des „Tages des Sieges“ hinausgehen. Allerdings gehörte in diesem Jahr 2022 die Ukraine ganz klar dazu, als sich ca. eine Millionen Russen auf den Weg zum Roten Platz machten.
Die Vielzahl der Leser wird das nicht für die Russen auslegen, weil ein Vergleich mit den Verbrechen der Nationalsozialisten stets als Verharmlosung betrachtet wird (es sei denn, man ordnet Demonstranten gegen oder für was auch immer als potenzielle Nazis ein, dann werden meist beide Augen zugedrückt). Doch auch wenn der Widerstand der Leser noch so enthusiastisch vorgetragen wird, die Ukraine hat definitiv ein Problem mit Faschismus und Nazismus. Die Tatsache, dass die Bedeutung und der Einfluss etwa des Asow-Regiments hier verschwiegen, heruntergespielt oder als inzwischen behobenes Problem dargestellt wird, ändert nichts an den Fakten.


Und wenn in den Tagesthemen ein Asow-Kämpfer im Interview faktisch als „normaler“ Soldat für Frieden,
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