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Die Spitze des Eisbergs | Von Nadine Rebel


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Ein Standpunkt von Nadine Rebel.
In den letzten zwei Jahren wurden die Menschen auf ihre existenziellen Bedürfnisse zurückgeworfen — für die Befriedigung höherer Bedürfnisse gab es keinen Raum mehr.


Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt apolut diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

Kaum jemand, der sich nicht schon mindestens einmal mit der Maslow‘schen Bedürfnispyramide auseinandergesetzt hat, gehört diese doch zum Stoff fast jedes Biologie-Unterrichts. Insofern ist es kaum verwunderlich, wenn man zunächst die Mundwinkel zum Ansatz eines Gähnens verziehen möchte. Ich möchte gerne, dass aus dem Gähnen ein „Aha-Effekt“ wird, wenn wir gemeinsam betrachten, wie die Politik seit knapp zwei Jahren die Bedürfnisse „ihrer“ Bürger und Bürgerinnen mit Füßen tritt.
Hintergrund
Abraham Maslow, auch bekannt als einer der wichtigsten Gründerväter der humanistischen Psychologie, lebte von 1908 bis 1970. In der nach ihm benannten Pyramide beschreibt er auf vereinfachte Weise die menschlichen Bedürfnisse und Motivationen. Die humanistische Psychologie sieht das Streben nach seelischer Gesundheit als elementar an, und auch für die Sozialwissenschaften, die Theologie und die Philosophie war und ist der Blick auf die menschlichen Bedürfnisse von Bedeutung.
Maslow lehnte die eher negativen Betrachtungen der Psychoanalyse und des Behaviorismus ab, welche von einem defizitären Menschenbild ausgingen. Er selbst ging davon aus, dass der Mensch grundsätzlich gut sei und sich zum Guten hin entwickeln wolle, dabei wäre die Selbstverwirklichung sein höchstes Ziel (oberste Stufe der Pyramide).
Negative Verhaltensweisen wie Destruktivität, Grausamkeit und Sadismus sind seiner Ansicht nach Reaktionen auf die fortwährende Enttäuschung, den Deprivationszustand, der durch die Nichterfüllung der Bedürfnisse ausgelöst werden würde.
 



Die bekannte Pyramide ist eine Interpretation von Maslows Bedürfnishierarchie.

 
Bedürfnisse existieren nebeneinander
Die Darstellung als Pyramide ist dabei ein wenig missverständlich, da so der Eindruck entsteht, dass ein neues Bedürfnis erst dann auftritt, wenn das darunterliegende Bedürfnis befriedigt wurde. Tatsächlich existieren die Bedürfnisse nebeneinander und gehen fließend ineinander über:
„Bisher hat unsere theoretische Diskussion möglicherweise den Eindruck erweckt, dass diese fünf Sätze von Bedürfnissen irgendwie in einer sukzessiven Alle-oder-keine-Beziehung zueinanderstehen. Wir haben es so formuliert: ‚Wenn ein Bedürfnis erfüllt ist, so entsteht ein anderes.‘ Diese Aussage könnte den falschen Eindruck schaffen, dass ein Bedürfnis zu 100 Prozent erfüllt sein muss, bevor das nächste entsteht“ (Abraham Maslow: A Theory of Human Motivation, 1943, Seiten 388 bis 389).
Die statische Sicht auf die Bedürfnisse, die durch die Pyramidendarstellung entstehen könnte, war nicht Intention Maslows.
Luft zum Atmen
Einige Bedürfnisse — physiologische — sind wichtiger als andere. Bevor ich mir überlege, welchen Kinofilm ich ansehen möchte, benötige ich zunächst einmal Luft zum Atmen, Wasser, Nahrung. Zu den grundlegenden Bedürfnissen zählen also Essen, Trinken, Schlaf et cetera. Der Mensch möchte diese körperliche Befriedigung und Sicherheit nicht gefährden, was durch die Bezeichnung „Sicherheitsbedürfnisse“ ausgedrückt wird. Grund- und Existenzbedürfnisse sowie das Bedürfnis nach Sicherheit und deren Befriedigung sind demnach essenziell, also lebensnotwendig.
Sicherheit
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