Alle Völker der Erde haben ein Recht auf Selbstbestimmung, so auch das Volk der Ostukraine. Teil 2/3.
Ein Standpunkt von Angela Mahr.
Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt apolut diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!
Im ersten Teil wurde die Vorgeschichte zur heutigen Situation in der Ukraine beschrieben, der Putsch 2014 und der Sturz der damaligen Regierung sowie die Auswirkungen des Gesetzes zur Verdrängung der russischen Sprache in der Ukraine.
Korrektur zum Teil 1: Die Aussage zur Sezession der Krim lautet im Originaltext wie folgt: "War die Sezession der Krim 2014 völkerrechtswidrig? Nein. Die Bürger der Krim entschieden darüber in einem Referendum, daher war es eine Sezession, keine Annexion."
Der zweite Teil beschreibt nun den Bruch des Minsker Friedensabkommens in einem insgesamt achtjährigen Bürgerkrieg sowie die Verstrickungen des Westens mit rechtsextremen Paramilitärs.
Wie können alle Ethnien friedlich und auf Augenhöhe miteinander leben? Von diesem Wunsch, diesem Anliegen ist dieser Artikel geprägt. Wenn wir dahin kommen möchten, dann hilft es, vergangene Fehler zu analysieren und zu korrigieren. Wie ist es heute? Wie erlebten die Menschen in der Ostukraine die Zeit nach dem Putsch? Ist das Selbstbestimmungsrecht der Menschen im Donbass völkerrechtlich geschützt? Im vorliegenden Text geht es um eine Rückschau, vor allem aber um eine Einordnung des Kriegs in der Ukraine aus völkerrechtlicher Sicht. Den ersten Teil finden Sie hier.
Der Donbass
Das Donezbecken, kurz der Donbass, ist ein großes Steinkohle- und Industriegebiet beiderseits der russisch-ukrainischen Grenze. Im Südosten der Ukraine liegen in dieser Region die Oblaste Donezk und Lugansk. „Nach offiziellen Angaben von 2016 lebten in Donezk 4,2 Millionen Menschen, in Lugansk 2,2 Millionen“, berichtet das ZDF am 24. Februar 2022. Wie viele dort aktuell noch lebten, sei schwer zu erfassen — aufgrund des seit 2014 schwelenden Kriegs.
„Teile der Bevölkerung sind geflohen. Inzwischen sollen in beiden Regionen insgesamt weniger als vier Millionen Menschen leben.“
Im Donbass wird mehrheitlich Russisch gesprochen. Entsprechend eng sei traditionell das Verhältnis vieler Menschen in der Ostukraine zu Russland. Letzten offiziellen Angaben zufolge waren fast 40 Prozent der Bevölkerung in Lugansk und Donezk ethnische Russinnen und Russen.
Der Anteil der russischen Muttersprachler ist dabei höher als derjenige der ethnischen Russen, da es auch ethnische Ukrainer und Angehörige anderer Nationalitäten gibt, die Russisch als Muttersprache angeben. Der Anteil liegt in Donezk bei 74,9 Prozent, in Lugansk bei 68,8 Prozent.
Der Bürgerkrieg in der Ostukraine seit 2014
Der Dokumentarfilm Frontstadt Donezk — Die unerwünschte Republik (1) entstand in der jungen Volksrepublik Donezk (DVR) im Sommer 2016. Die Republik war wie die Lugansker Volksrepublik (LVR) 2014 ausgerufen worden und existierte seit zwei Jahren. Die Republiken waren seinerzeit bereits geprägt und gezeichnet vom Bürgerkrieg. Der Autor und Filmemacher Mark Bartalmai lebte zur Zeit des Drehs bereits seit zwei Jahren mit Unterbrechungen in der Volksrepublik Donezk. Der Film zeigt somit den persönlichen Blick eines deutschen Filmemachers, der von dort die Ereignisse verfolgte.
Strukturelle Gewalt im Donbass
„Mit der Zeit wurde aus dem Bürgerkrieg quasi ein Stellvertreterkrieg“, beobachtet Bartalmai 2016. „Aber den haben ja die Russen nicht angefangen. Das ist das gleiche Spiel wie in El Salvador, Nicaragua, Vietnam,