Ein Standpunkt von Angela Mahr.
Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt apolut diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!
Wie können alle Ethnien friedlich und auf Augenhöhe miteinander leben? Von diesem Wunsch, diesem Anliegen ist dieser Artikel geprägt. Wenn wir dahin kommen möchten, dann hilft es, vergangene Fehler zu analysieren und zu korrigieren. Wie ist es heute? Wie erlebten die Menschen in der Ostukraine die Zeit nach dem Putsch? Ist das Selbstbestimmungsrecht der Menschen im Donbass völkerrechtlich geschützt? In diesem Text geht es um eine Rückschau, vor allem aber um eine Einordnung des Kriegs in der Ukraine aus völkerrechtlicher Sicht. Den ersten Teil finden Sie hier und den zweiten hier. Der dritte Teil beschreibt beispielhaft einige Schritte in die Selbstbestimmung der Ostukraine, die Sezession der Krim 2014 sowie die grundsätzliche Frage, warum Sezession im Völkerrecht nicht verhandelt wird.
Das Referendum in der Ostukraine 2014
„Bei einem Referendum in der Ostukraine hat nach Angaben der Separatisten eine überwältigende Mehrheit für eine Abspaltung gestimmt“, erklärt die Tagesschausprecherin am 12. Mai 2014.
„Heute erklärten die prorussischen Aktivisten die Republiken Donezk und Lugansk für unabhängig. Nächster Schritt könnte der Anschluss an Russland sein.“
Diese Formulierungen waren unpassend. Wladimir Putin, beziehungsweise das russische Parlament und der Föderationsrat, hatte die Republiken erst acht Jahre später überhaupt anerkannt.
„Die Referenden, die von den beiden selbst ernannten Republiken Donezk und Lugansk im Mai 2014 durchgeführt wurden, waren keine Referenden über „Unabhängigkeit“ (независимость) (...), sondern Referenden über ‚Selbstbestimmung‘ oder ‚Autonomie‘ (самостоятельность)“, unterscheidet Jacques Baud. Der Zusatz „prorussisch“ suggeriere, dass Russland eine Konfliktpartei sei, was nicht der Fall war. Der Begriff „russischsprachig“ wäre ehrlicher gewesen. Außerdem seien diese Referenden gegen den Rat von Putin durchgeführt worden.
Diese Republiken wollten sich nicht von der Ukraine abspalten, sondern strebten einen Autonomiestatus an, der ihnen die Verwendung der russischen Sprache als Amtssprache garantiere. Der Status der Republiken sollte gemäß der Abkommen von Minsk 1 (September 2014) und Minsk 2 (Februar 2015) zwischen Kiew und den Vertretern der Republiken ausgehandelt werden, um eine interne Lösung für die Ukraine zu finden.
Baud erinnert daran, „dass sich vor dem 23. und 24. Februar 2022 niemals russische Truppen im Donbass befanden. Außerdem haben OSZE-Beobachter nie auch nur die geringste Spur von russischen Einheiten im Donbass beobachtet. Die von der Washington Post am 3. Dezember 2021 veröffentlichte Karte des US-Geheimdienstes zeigt zum Beispiel keine russischen Truppen im Donbass“.
Donezk 2016: Schritte in die Selbstbestimmung
Der Film „Frontstadt Donezk — Die unerwünschte Republik“ von 2016 erzählt bei weitem nicht nur vom Bürgerkrieg in der Ostukraine, sondern vor allem auch von Hoffnung, von Mut und Beharrlichkeit beim Aufbau neuer, unabhängiger Strukturen in der Republik Donezk. „Sie ist in sich der lebendige Versuch eines Gegenentwurfs zur in der Ukraine grassierenden westlichen Neoliberalismus“, so der Filmemacher.
„Für die Leute, die noch nichts über die Donezker Volksrepublik wissen: Die Donezker Volksrepublik ist ein neuer Start mit allen notwendigen Institutionen“, erzählt Alexander Kofman,