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Die Verantwortung des Westens für das Andauern des Ukrainekriegs | Von Bernd Murawski


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Ein Standpunkt von Bernd Murawski.
Mit dem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat Russland viel Leid und materiellen Schaden verursacht. Doch nach der Sabotage der Verhandlungen Anfang April teilt der Westen die Verantwortung für die humanitäre Notlage und die massiven Zerstörungen. Zudem hat sein wiederholter Bruch früherer Abkommen und Vereinbarungen zu einem Vertrauensverlust geführt, der eine baldige Friedensregelung erschwert.
Als der russische Außenminister Sergej Lawrow auf einer Veranstaltung im Anschluss an das G20-Treffen in Indien äußerte, der Westen trage Schuld am Krieg in der Ukraine, gab es, wie westliche Medien genüsslich berichteten <1>, im Publikum Gelächter. Nach einer kurzen Pause begründete Lawrow seine Aussage, wobei er auf die Vorgeschichte des Konflikts verwies und den Kriegsbeginn auf das Jahr 2014 datierte.
In gewisser Hinsicht trifft seine Aussage ebenso auf die derzeitige, tatsächlich von Russland begonnene Militäroperation zu. Wäre es im April 2022 zu einer Übereinkunft gekommen, wie von Russland und der Ukraine angestrebt, hätten die Kämpfe vor etwa zehn Monaten aufgehört. Indem der Westen die ukrainische Führung zum Abbruch der Friedensverhandlungen drängte, hat er zugleich eine Mitverantwortung für den militärischen Konflikt übernommen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wurde seitdem durch einen Krieg des Westens gegen Russland ergänzt.
Die russische Militäraktion und der chinesische Friedensplan
Der Vorwurf, die Kreml-Führung hätte mit der militärischen Sonderoperation das UN-Gewaltverbot missachtet, wird nicht nur von westlichen Staaten erhoben. Dies zeigt die breite Zustimmung der UN-Vollversammlung zu den Resolutionen, die den russischen Einmarsch in der Ukraine verurteilen. Auch jene Staaten, die sich der Stimme enthalten haben, betrachten den Militäreinsatz als völkerrechtswidrig. So verlangt <2> der Friedensplan Chinas die „Respektierung der Souveränität aller Länder“ und erhebt die territoriale Integrität der Staaten zu einem zentralen Prinzip. Die Bedeutung dieser Forderung wird dadurch unterstrichen, dass sie in dem 12 Punkte umfassenden Dokument an erster Stelle steht.
Der letzte Satz in Punkt 1 lautet, „die gleichmäßige und einheitliche Anwendung des Völkerrechts ist zu fördern, während doppelte Standards abgelehnt werden müssen“. Der hier artikulierte Vorwurf ist zweifelsohne an die westlichen Staaten gerichtet. Deren Anklage gegen Russland erscheint heuchlerisch, weil sie das Völkerrecht selbst in der Vergangenheit wiederholt gebrochen haben. Dabei waren sie jeweils bestrebt, ihre Praxis mit hehren Absichten zu bemänteln. Auf der Grundlage eigener Wertvorstellungen und Interessen nahmen sie für sich in Anspruch, das Völkerrecht „weiterzuentwickeln“, ungeachtet der Sichtweise anderer Staaten.
Der Westen machte sich den Tatbestand zunutze, dass internationales Recht auf Praktiken und Vereinbarungen beruht, die sich die Staaten selbst geben. Im Gegensatz dazu bestehen für die staatsinterne Rechtsprechung mit dem Parlament als Gesetzgeber sowie der Justiz und der Polizei als Vollstrecker Instanzen, die über den Bürgern stehen.
Ändert sich die gängige Praxis bei der Anwendung völkerrechtlicher Bestimmungen, dann wird diese zur Richtschnur für künftige Entscheidungen. Der Strafrechtler Reinhard Merkel bemerkte <3> dazu, „dass im Völkerrecht die Rechtsbrüche zum Motor der Entwicklung neuer rechtlicher Normen werden.“ Vor diesem Hintergrund hat der Westen humanitäre Interventionen, eine extensiv ausgelegte präventive Selbstverteidigung und Wirtschaftssanktionen als ...
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