Linke kuscheln in der Corona-Frage mit neoliberalen und autoritären Kräften — und werfen der Freiheitsbewegung Querfrontaktivitäten vor.
Ein Standpunkt von Michael Ewert.
Der Vorwurf einer Querfront ist allgegenwärtig. Ebenso häufig wird er zurückgewiesen. Zu Recht? Das ist die Frage, denn bei näherem Hinsehen kann man zu dem Ergebnis kommen: Ja, wir haben eine Querfront, und sie ist tatsächlich eine Gefahr für die Demokratie. Sie zu bekämpfen bedarf es all unserer Anstrengung. Allerdings sind es andere Kräfte als die sonst in diesem Zusammenhang genannten, die eine Front gegen unsere Grundrechte bilden. Wer dem Missbrauch des Begriffs „Querfront“ entgegentreten will, muss sich erst einmal dessen historische Ursprünge anschauen.
Als erstes sollten wir klarstellen, worüber wir reden. Historisch gesehen verweist die aktuelle Diskussion auf Überlegungen des Reichskanzlers General Kurt von Schleicher aus dem Jahr 1932, mangels Unterstützung im Parlament ein Spektrum gesellschaftlicher Gruppierungen zu bündeln. Ausgangspunkt war nicht die Idee eines Bündnisses von ganz links bis ganz rechts, sondern die realistische Einschätzung von Etiketten, denen in der Praxis keine Bedeutung zukam.
Die anvisierten Kräfte einte zwar die Ablehnung einer liberal-kapitalistischen Konkurrenz- und Klassengesellschaft mit ihrer Herrschaft anonym auftretender Gewalten und beklagten Wucherung divergierender Interessen. Diese Ablehnung teilten viele, nicht aber die in von Schleichers Querfront herrschenden Vorstellungen, wie ein Gemeinwesen zu gestalten sei: Es sollte eine Art Volksgemeinschaft sein, in der das Individuum wohlaufgehoben sei — zum Preise seiner Einordnung in eine „natürliche“, autoritär vorgegebene Ordnung.
Die vorgesehene Teilnahme rechtsgerichteter Sozialdemokraten kann nicht überraschen. Sie haben die Querfront erfunden, auch wenn ihr Pakt mit Militär und Freikorps 1918/19 nicht so bezeichnet wird. Der Pakt gilt als so natürlich wie die Luft, die wir atmen.
Nicht nur Gustav Noske oder Wolfgang Heine, sondern der ganze Justiz-, Verwaltungs- und Militärapparat deckte, was Reichswehr, Freikorps und Bürgerwehr verbrachen. Auch die Massenerschießungen 1920 im Zuge der Niederschlagung des gegen den Kapp-Putsch gerichteten Ruhraufstands sind nie geschehen, wie Harold Pinter in seiner Nobelpreisrede bezüglich unermesslicher Verbrechen zu „unserem Wohle“ höhnte.
Für ihren Beitrag zum Scheitern des Versuches, die deutsche Gesellschaft auf den Kopf zu stellen, wird die Sozialdemokratie bis heute mit Dankesadressen zugeschüttet. Es ist noch mal gut gegangen und die Dominanz autoritärer Strebungen konnte gerettet werden. Ein genialer Schachzug. Das Ergebnis war ein Klima, in dem sich die Ausrichtung der Nazis kaum von den Programmen der Rechten unterschied, wie Saul Padover beim Überschreiten der Reichsgrenzen durch die U.S.-Armee 1944 registrierte (1).
Schleichers Überlegungen fielen nicht vom Himmel. Sie entsprachen dominanten Strömungen der Weimarer Republik mit ihrem fatalen Geburtsfehler. Einer der verheerendsten Akteure sollte als zentrale Stütze in Schleichers Querfront fungieren: die Reichswehr, wichtiger Machtfaktor eines als militärisch-industrieller Komplex fungierenden reaktionären Blocks. Die Vernachlässigung ihrer desaströsen Rolle zeigt sich bereits bei der Bagatellisierung ihrer Mordaktionen nach dem Ersten Weltkrieg, exemplarisch an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Nachsicht von Terror und Gewalt werden wir immer begegnen, wenn die bürgerlich-kapitalistische Ordnung auf dem Spiel steht.
Repression allen Widerstands
Mit der Machtergreifung der Nazis erwies sich die „unpolitische Haltung“ der Reichswehr als das, was sie war: eine Metapher für Illoyalität und Abneigung gegenüber staatlichen Organen. Damit, so ihr Minister General von Blomberg am 1.