Ein Standpunkt von Uwe G. Kranz.
Ab dem 5. Dezember wurde von der EU die Einfuhr von Rohöl aus Russland quasi verboten, der Preisdeckel verfügt und es begann das zeitlich gestaffelte Ölembargo der EU, ein paar anderer Staaten der G 7 und Australiens, das bis Jahresende seine volle Sprengkraft entfalten wird – vermutlich allerdings als EU-wirtschaftlicher Rohrkrepierer.
Wenn von den 195 Staaten der Welt gerade mal etwas über 30 Staaten das russische Ölreich sanktionieren wollen, was sagt das uns? Vor allem: Selbst diese Staaten dealen zum Teil mehr oder weniger heimlich mit dem Öl-Zaren, manche opponieren sogar offen gegen das EU-Diktat und schinden Übergangsfristen oder andere Vorteile heraus.
Die meisten Staaten der Welt aber schließen sich dem Brüsseler energie- und wirtschaftspolitischen Selbstmordkommando erst gar nicht an (China und Indien ignorieren den Ölpreisdeckel komplett). Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) bekräftigte zudem ihre Absicht, an der aktuellen Fördermenge festzuhalten (und damit die Wirksamkeit des EU-Embargos zu schmälern) und Russland dreht den Spieß einfach um und droht jetzt sogar mit sofortigem Lieferstopp für alle Länder, welche die gleichzeitig mit dem Embargo eingeführte marktfeindliche Preisobergrenze von ca. 60 USD/Barrel Rohöl unterstützen. Dieser „Preisdeckel“ liegt aber skurriler Weise so nahe am handelsüblichen Preis (65-69 USD), dass man sich fragen muss, was mit dieser Sanktion ernsthaft gewollt worden war. Die Gewinne Moskaus zu schmälern? Wattebausch-Drohungen auf US-Weisung? Dafür spricht auch die Art. der „Umsetzung des Embargos auf Umwegen“ – etwa durch die Versicherungen für Öltanker. Ob das funktioniert, ist derzeit noch völlig unklar. Einen gravierenden Ölschock will man wohl nicht so ganz riskieren, aber die Kosten für die Endverbraucher doch?
Denn nur zu hoffen, dass die Preisobergrenze zu einer Entspannung auf dem Energiemarkt führen werde, ist doch reichlich naiv. Schon jetzt mehren sich offizielle Stimmen, die vor zeitlich verzögerten, steigenden Heizöl- und Spritpreisen warnen (ADAC). Selbst mein eigener (zugegeben: geringer) volkswirtschaftlicher und mikroökonomischer Sachverstand reicht aus, um zu wissen, dass ein Preisdeckel für ein Produkt her das Angebot reduziert und die Nachfrage steigert, was dann normalerweise zu höheren Preisen auf dem Weltmarkt führt, die wiederum nach unten, an den Verbraucher, weitergeben werden. Das ist auch schon am ersten Handelstag nach der Einigung der EU stante pede eingetreten.
Und dann schickt uns Russland auch noch den schlimmsten Winter aller Zeiten mit minus 20 Grad Celsius … Böser Putin!
„Russland ruinieren“?
Von der Leyens Tweet zu diesem Thema („…will reduce Russia’s revenues significantly“) ist wohl mehr ein irrationaler Wunsch als volkswirtschaftliche Wirklichkeit und genau dem gleichen Möchtegern-Dogmatismus entsprungen, wie Annalena Baerbocks Wunsch „Russland zu ruinieren“. Die russische Kriegswirtschaft ist kaum auf Devisen angewiesen, dafür genügen die zusätzlichen Einnahmen in Rubel.
Es sieht schon ziemlich unverfroren aus, extra einen neuen EU-Strafgerichtshof zu planen, um eingefrorenes russisches Geld in Höhe von über 300 Milliarden Euro zu beschlagnahmen, damit es für „Reparationszahlungen an die Ukraine“ zweckentfremdet werden kann; die EU auf Raubzug/Beutefang! Im europäischen Rechtsraum wäre sowas als Diebstahl oder Unterschlagung zu verfolgen. Die europäische Wirtschaft, allen voran die ölverarbeitende Industrie in Deutschland, hat offensichtlich Angst vor EU-Einfuhrverbot und Preisdeckel. Zu Recht, auch wenn inzwischen die Rohölimporte aus Russland von 35% (langjähriger Durchschnitt) auf 16% (Oktober 2022) gefallen sind. Seit Wochen füllen die Händler längst ihre Lager im Eiltempo auf. Inzwischen sind wir beim Diesel für die Lager in der Region Amsterdam/Rotterdam/Antwerpen (ARA) auf 215.