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Dissens und Kritik im Globalen Süden und bei uns | Von Jochen Mitschka


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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Ich möchte heute zwei Themen ansprechen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Da ist einmal das Problem von kritischen Wissenschaftlern und Journalisten, besonders wenn sie in weniger entwickelten Gesellschaften leben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Und dann, wie einflussreiche westliche Organisationen dabei helfen, eine „teile und herrsche“ Situation zu erzeugen, mit der die regionale Selbstermächtigung behindert wird. Beides hängt insofern zusammen, da staatliche und nichtstaatliche Akteure im Westen durch ihre Finanzierung von „Dissidenten“, welche die westliche Agenda verfolgen, die Lücke der kritischen Begleitung von Politik füllen. Eine Lücke, welche mangels Finanzierbarkeit von originären lokalen Dissidenten offen gelassen werden muss.
Überleben oder Schreiben
Die Anregung aufgreifend, nicht zu oft die gleichen Vertreter des globalen Südens zu Wort kommen zu lassen, habe ich Kontakt mit einem jungen Wissenschaftler, Dr. Jay Tharappel aufgenommen. Er promovierte in Australien und mit seinen Artikeln hatte der Verein „Der Politikchronist e.V.“ ein Buch über den Jemenkrieg verfasst(1). Als ich ihn nun fragte, warum er keinen Hintergrundartikel über die neuesten Entwicklungen in der Jemen-Krise, nach der Wiederannäherung von Saudi-Arabien und dem Iran geschrieben habe, erklärte er mir das Grundproblem der alternativen Medienschaffenden: Durch das Schreiben von Texten mit einer alternativen Sichtweise auf Politik und Gesellschaft ist man nicht in der Lage, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Es gibt einige wenige Ausnahmen, sicher auch einzelne Stars der Szene, wie Daniele Ganser zum Beispiel. Aber ansonsten hält man sich als alternativer Medienschaffender mit anderen Arbeiten über Wasser, welche keine Zeit für alternative Texte lassen, oder erfreut sich an Altersbezügen, die man durch „ehrenwerte“ Arbeit erwarb. Was eine „Vergreisung“ der Dissens verursacht.
Natürlich gibt es finanziell selbst tragende Projekte mit auskömmlichen Einnahmen für die beteiligten Journalisten, meist jedoch in den USA. Genannt sei hier das Grayzone-Projekt(2). Auch hier werden Sichtweisen des Globalen Südens verbreitet, aber durch Journalisten oder Wissenschaftler, die selbst nicht dort sozialisiert wurden. Aber alle solche Projekte stehen mit einem Bein im Aus, wenn Spenden wegbrechen. Aber noch einmal einen Schritt zurück:
Beispiele
Jay Tharappel ist ein junger kommunistischer Schriftsteller und Wissenschaftler. Er wurde wegen eines Israel gegenüber kritischem Aufnäher aus der australischen „Labour Party“ ausgestoßen. Und wird wegen seiner Kritik an westlicher Kriegsführung gegen Syrien als „Diktator-Freund“ ausgegrenzt. Sein Forschungsinteresse gilt Themen wie der Natur der Währungshegemonie, postkolonialen Kritiken der marxistischen Theorie und der Lehren, die man aus der Politik Chinas ziehen kann. Aber wie Tim Anderson ist er kein Historiker, der in der Vergangenheit schwelgt, sondern ein Analytiker der Gegenwart. Und so erklärt sich, dass seine Analysen zwar begehrt sind, aber nur von Medien, welche keine lebenserhaltenden Honorare zahlen können. Auf seiner eigenen Internetseite(3) finden sich daher auch nur noch wenige Artikel, ebenso nur noch ganz selten Artikel in alternativen Medien.
Einer der es geschafft hat
Michel Chossudovsky ist ein kanadischer emeritierter Professor für Wirtschaft und insofern nicht abhängig von Einkommen aus seinen Texten. Aber trotz, oder vielleicht wegen der Bekämpfung seiner Kritik an US-Politik, konnte er sich mit seinem „Centre for Research on Globalisation“(4), einem eigenen Medium, finanziell unabhängig machen. Dessen Internetadresse wird übrigens von Wikipedia in vielen Fällen nicht verlinkt, ja oft wird sogar die Internetadresse gar nicht erwähnt, und in Google sucht man ebenfalls oft vergeblich.
Im Jahr 2012 hatte ich mir die Mühe gemacht, sein Buch „Towards A World War III Szenario“ zu...
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