Steffen, was hältst du von Osteopathie?
Schwer zu sagen. Ich kenne Leute, die darauf schwören. Offensichtlich gibt es Verwandtschaften mit der manuellen Therapie. An der Osteopathie ist wahrscheinlich das Interessante, dass die sich die Zeit nehmen viel abzutasten und so Dinge finden, die du bloß durch kurz hingucken, wie es beim Orthopäden passieren kann, nicht findest.
Ich dachte, bei der manuellen Therapie drückt man da, wo es wehtut, und bei der Osteopathie am anderen Ende.
Ich bin davon überzeugt, dass Osteopathie bei bestimmten Sachen wirkt, die mit dem Knochen- und Muskelapparat zusammenhängen und mit Verspannungen, wovon die Menschen im Zeitalter von Stress und idiotischen Sitzhaltungen etliche haben. Aber die Grundidee von Osteopathie, die ja schon gut 140 Jahre alt ist, ist es ...
… ganzheitlich zu wirken.
Das meine ich eben nicht. Ganzheitlich ist Medizin, wenn sie anständig betrieben wird, sowieso. Aber der Erfinder der Osteopathie, Andrew Taylor Still, war offenbar der Meinung, dass es für alles reicht, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. Es gab sogar Studien über die Wirkung von Osteopathie bei der Spanischen Grippe. Da habe ich doch meine Zweifel.
Jenseits von Muskeln, Nerven, Adern und Lymphen gibt es jedenfalls keine geheimnisvollen Verbindungen im Körper?
Das halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Die Traditionelle Chinesische Medizin spricht von Qis. Und von der Akupunktur weiß ich, dass es zumindest sehr empfindliche Punkte gibt.
Wir haben ein dichtes Netz von Nervenverbindungen, von Lymphgefäßen und Blutgefäßen. Also es gibt zig Verbindungen, die teils biochemisch, teils elektrisch Teile des Körpers mit anderen verbinden. Insofern kann es sein, dass sich Punkte finden, die woanders Wirkungen zeitigen. Aber man kann damit keinen Nierenschaden heilen. Was wir heute unter Traditioneller Chinesischer Medizin verstehen, ist übrigens der Entwicklung in China geschuldet. Die Sozialisten, Sun Yat-sen und Co., hielten die traditionelle Medizin für total überholt, für vormodern. Und Maos Kommunisten haben diese These lange beibehalten, bis ihnen im Zuge ihrer Kulturrevolution die Ärzte abhanden kamen. Daraufhin wurde ein Kanon von Verfahren, so weit sie noch bekannt waren, geschaffen, der heute die Traditionelle Chinesische Medizin repräsentiert. Das ist aber wahrscheinlich nur ein Bruchteil dessen, was es früher gegeben hat.
War man in der DDR mit China traditionell medizinisch verbunden?
Eher nicht. Bis zur Kulturrevolution war die Begeisterung für solche Verfahren gering. Und dann verschlechterte sich das Verhältnis zu China schlagartig. Ich bin im Herbst 1967 nach Berlin-Karlshorst gekommen, wo damals die chinesische Botschaft war. Da waren überall die Jalousien runter und teils mit Farbe bespritzt. Man hatte über Lautsprecher die Bevölkerung zur Lehre Maos bekehren wollen ...
Zumindest Homöopathie hatte ich auch eher mit alternativen Kreisen in Westdeutschland in Verbindung gebracht.
Homöopathie hat in begrenztem Maße eine Rolle gespielt. Sie war nicht verboten, wurde aber weithin als »Paramadizin« kritisert. Es gab in der DDR ja auch Heilpraktiker, zu denen ich dank meiner Mutter, die mich mal zu einem schleppte, der nun wirklich gar keine Ahnung hatte, ein gespaltenes Verhältnis habe.
Meine Eltern schworen auf eine Heilpraktikerin, die Iris-Diagnose machte. Nur konnte die letztlich nichts heilen.
Das ist ein Problem der Medizin insgesamt. Es gibt eine Menge Krankheiten, wo man trotz richtiger Diagnose nichts machen kann, und bestimmte Verschleißerscheinungen reparieren sich im Alter nicht mehr von selbst. Ansonsten gilt: Wer was wie gut kann, das weiß man als Patient immer erst hinterher.