Viele Opfer, keine Täter?

E3 – Erinnerungsorte: Warum sind sie in Taiwan so umstritten?


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Südwestlich von Taipeh, in der Nähe des Ortes Daxi, erinnert ein skurriler Ort an die Jahrzehnte der Diktatur in Taiwan. Hunderte Statuen des einstigen Diktators Chiang Kai-shek wurden hier im Cihu-Skulpturenpark aufgestellt. Oft stehen sie in Gruppen zusammen. Fast wirkt es, als wäre Chiang Kai-shek ins Gespräch mit sich selbst vertieft.

Die meisten dieser Statuen standen ursprünglich in oder vor Schulen oder Verwaltungsgebäuden. Doch der Umgang mit ihnen war nach dem Ende der Diktatur der KMT umstritten. Sollten sie bleiben, wo sie sind? Sollten sie zerstört werden? Vielfach entschieden sich Entscheidungsträger für einen Kompromiss – und verfrachteten sie nach Cihu. So waren sie aus den Augen, aber wer dem ehemaligen Diktator die Ehre erweisen wollte, konnte dies im gepflegten Park in Cihu weiterhin tun.

Der Umgang mit den Chiang Kai-shek Statuen ist nicht die einzige Bruchlinie, die sich in der taiwanischen Gesellschaft im Umgang mit der autoritären Vergangenheit zeigt. Auch in den Museen wird deutlich, dass die Gesellschaft bislang keinen Konsens in der Bewertung der Geschichte gefunden hat. Trotzdem wurden eine Reihe wichtiger Gedenkstätten und Ausstellungsorte errichtet, mit dem Ziel, die Relevanz der Vergangenheit für die Gegenwart zu vermitteln. 

In dieser Folge berichten Christina Sadeler und Tobias Sauer im Gespräch mit Carola Dorner:

​- Wie Besucher des Parks in Cihu die Vergangenheit bewerten

​- Warum in der Chiang Kai-shek Memorial Hall in Taipeh die gespaltene Erinnerung mit Händen zu greifen ist

​- Warum das National Human Rights Museum erst auf Druck von Opfern errichtet wurde

​- Welche Narrative die Debatten in Taiwan prägen

Die Interviewpartner dieser Folge:

​- Besucher des Cihu-Skulpturenparks

​- Fred Chin, der als Student unschuldig zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt wurde und heute als Zeitzeuge durch das National Human Rights Museum in Taiwan führt

​- Pan Mei, Aktivistin der Taiwan Youth Association for Transitional Justice

​- Stephan Thome, Autor und Schriftsteller in Taiwan

- ​Fan Yun, Abgeordnete der DPP im Legislativ Yuan, die als Studentin massiv überwacht wurde

Weiterführende Informationen:

​- Klaus Bardenhagen 2024: Die wichtigste Insel der Welt: Was Sie wissen müssen, um Taiwan zu verstehen. Freiburg: Herder.

​- David Demes/Frédéric Krumbein 2024: Taiwan: Asiens erstaunliche Demokratie. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.

- ​Gunter Schubert 2024: Kleine Geschichte Taiwans. München: C.H.Beck.

- ​Stephan Thome 2022: Pflaumenregen (Roman). Berlin: Suhrkamp.Stephan Thome 2024: Schmales Gewässer, gefährliche Strömung: Über den Konflikt in der Taiwanstraße. Berlin: Suhrkamp.

- ​National Chiang Kai-shek Memorial Hall: Ausstellungen Taiwan’s long walk to freedom of speech ​und Chiang Kai-shek and the Republic of China

- ​National Human Rights Museum Taiwan

- ​Cihu Skulpturenpark

Herzlichen Dank für die eigens komponierte Musik bei ⁠⁠Baldwin Giang⁠⁠ und für das Logo bei ⁠⁠2byWu&Chen⁠⁠! Die Recherchereise von Christina Sadeler nach Taiwan wurde unterstützt durch das ⁠⁠Taiwan Fellowship Programm⁠⁠ des taiwanischen Außenministeriums. Die Recherchereise von Tobias Sauer wurde ermöglicht durch das Deutsch-Asiatische Programm der ⁠⁠Internationalen Journalisten-Programme⁠⁠. “Viele Opfer, keine Täter” wurde finanziell unterstützt von der ⁠⁠Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur⁠⁠. Vielen Dank vor allem bei allen Gesprächspartnern vor Ort in Taiwan! Eine Produktion von ⁠⁠Über Geschichte⁠⁠.

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Viele Opfer, keine Täter?By Carola Dorner, Über Geschichte