Ein Kommentar von Hermann Ploppa.
Wenn wir die Zahlenkombination 9/11 hören, dann denken wir ganz automatisch an die einstürzenden Türme des World Trade Centers in New York am 11. September 2001. Wir erinnern uns, wie dieser Vorfall unser aller Leben schockartig verändert hat. Und bei der Bewertung der Ereignisse hat sich die erste große Polarisierung herausgebildet. Seitdem ist es möglich, dass wir in einer pluralistischen Demokratie einander nicht mehr zuhören und mit Vertretern einer entgegengesetzten Meinung nicht mehr reden. Man kann sagen, dass mit jedem weiteren Jahr, das uns vom Elften September 2001 trennt, die Meinungen immer heftiger auseinanderdriften.
Aber das Ereignis aus dem Jahr 2001 ist nicht der einzige Elfte September, der die Welt in einer radikalen Art und Weise umgekrempelt hat. Am 11. September des Jahres 1973 wurde in dem lateinamerikanischen Land Chile der demokratisch gewählte Präsident Salvador Allende in seinem Amtssitz La Moneda zu Tode gebracht. Dieses Verbrechen erschütterte die Welt nachhaltig.
Ich befand mich an diesem sonnigen Tag im Pariser Jardin du Luxembourg, als aufgeregte Studenten durch den Park liefen und Flugblätter verteilten. Ein Massaker fand gerade in diesen Stunden in Chile statt. Am Abend versammelten sich die Studenten im großen Hörsaalgebäude der Sorbonne-Universität und gedachten mit einer Schweigeminute der Opfer des faschistischen Terrors.
Zu jener Zeit war der Sozialist Salvador Allende gerade einmal drei Jahre im Amt gewesen. In einer Zangengeburt hatten sich die zerstrittenen linken Parteien zu dem Wahlbündnis mit Namen Unidad Popular zusammengeschlossen. Bei der Wahl konnten sie allerdings nur etwas mehr als ein Drittel aller Wahlstimmen auf sich vereinigen. Doch auch die chilenischen Christdemokraten wählten Allende zum Nachfolger des Christdemokraten Eduardo Frei. Und sie unterstützten in der ersten Zeit auch die Politik des Sozialisten. Dessen Politik bestand im wesentlichen darin, den Reichtum des Landes gerechter als bisher zu verteilen. Zu diesem Zweck wurden die Kupferminen und viele andere Branchen verstaatlicht. Die einheimische Wirtschaft erhielt Schutz durch die Einschränkung von Importen. Bei so einer Umverteilung gibt es natürlich immer Leute, die von ihrem Reichtum etwas abgeben müssen. An diese Leute wandte sich der US-amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA. Wie später in Kongress-Untersuchungen in Washington ermittelt, gab die Regierung der USA mindestens zehn Millionen Dollar für die Durchführung von Streiks, Boykott-Maßnahmen, Straßenblockaden und politische Morde in Chile aus <1>. Bereits vor der Amtseinführung von Salvador Allende wurde General René Schneider zunächst entführt und dann ermordet. Schneider hatte erklärt, dass das Militär trotz Sympathien für die USA gegenüber den demokratisch legitimierten Regierungen Chiles loyal zu bleiben habe. Nach diesem Mord war die so genannte „Schneider-Doktrin“ nicht mehr viel wert. Jeder Offizier wusste nun, was ihm blühen konnte, wenn er die Demokratie verteidigt. Doch zunächst gelingt es Allende, die Generäle sogar in seine Regierung einzubinden. Als allerdings so langsam die Lähmung der chilenischen Wirtschaft durch die CIA-Regime Change-Methoden immer mehr Wirkung zeigten, zogen sich die Militärs Stück für Stück immer weiter aus der Verantwortung heraus.
Bei den Wahlen Anfang 1973 konnte die Unidad Popular ihren Stimmenanteil trotz allem sogar um acht Prozent auf 44 Prozent steigern. Denn die unteren Schichten der Bevölkerung sahen unter Allende die Chance einer Besserung ihres Lebensbedingungen, und sie gingen zum ersten Mal in ihrem Leben zur Wahl. Doch die Christdemokraten standen jetzt in Opposition zu Allendes Reformpolitik. Sie verbündeten sich mit den Rechtsradikalen und stellten im Parlament mit ...