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Ein Hauch von europäischem Geist | Von Jochen Mitschka


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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Das Buch, über das ich heute berichten will, kann man auch als eine Verschriftung der Empfindungen nicht weniger Zeitzeugen, d.h. Menschen älteren Jahrgangs ansehen. Seine besondere Bedeutung resultiert aus der Tatsache, dass hier zwei angesehene Autoren es wagen, gegen den Zeitgeist zu schreiben. Aber wenn man als Mensch, der die Aufbruchstimmung beim Projekt „Europa“ miterlebt hat, den Zerfall der Ideen, Ideale und Vorsätze mit erleiden musste, erkennt in diesem Buch einen Hauch eben jenen Geistes, der seinerzeit viele Jugendliche begeistern konnten, die wie ich, mit offenem Geist durch Europa reisten.
Ulrike Guérot, Hauke Ritz – Endspiel Europa
Schon im Vorwort machen die Autoren klar, worum es Ihnen geht. Mit offenem Visier gegen Intoleranz, Kriegshysterie, Dummheit und Desinformation anschreiben zu wollen. Im ersten Kapitel dann sprechen Sie aus, was uns Ältere zum Teil einfach verständnislos den Kopf schütteln lässt, nämlich wie aus einem Friedensprojekt und „von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen“ eine Kriegseuphorie entstehen konnte, die offen über den Einsatz von Nuklearwaffen redet. Der Vergleich zur Kriegspropaganda vor dem ersten Weltkrieg drängt sich so stark auf, dass er fast nicht hätte erwähnt werden müssen.
Messerscharf analysieren die Autoren, dass Europa, gemeint ist die EU, es sich „behaglich und geschichtsvergessen“ im warmen Bett des Westens bequem gemacht hatte, statt an seiner Emanzipation, und damit verbunden der Realisierung der ursprünglichen Ideen zu arbeiten. Und dadurch schließen sie: „Der augenblickliche Krieg in und um die Ukraine ist darum nicht nur ein weiterer blutiger Krieg. Er ist auch und vor allem die Zerstörung des politischen Europas als Idee“.
Und wenn man dann die Geschichte des Scheiterns der politischen Union und des Sieges des „trojanischen Pferdes“ Neoliberalismus liest, fügen sich in der Erinnerung die Bruchstücke wie ein Puzzle zusammen. Der weil die europäischen Bürger sich „im historischen Analphabetismus“ befinden.
Und zurückblickend konstatieren und beschreiben Ulrike Guérot und Hauke Ritz wie sich europäische Politik immer mehr in Vasallen-Transatlantizismus veränderte. Sie weisen darauf hin, dass 2004 ein Schicksalsjahr war, als Putin im Bundestag mit Beifall begrüßt wurde, und die USA wussten, dass nun Not am Mann war. Maßnahmen, die darin gipfelten, dass die Ukraine „zum Aufmarschgebiet für eurasische Pläne der USA und zur Speerspitze der NATO in Europa“ wurde. Auf Seite 30 wird dann erklärt, wo Europa ihrer Meinung nach falsch abbog. (2)
Die Autoren stellen richtigerweise fest, dass der Westen nun das Ziel verfolge, einen neuen Eisernen Vorhang, nur diesmal weiter östlich, aufzurichten. Was die Beerdigung nicht nur europäischer Souveränität, sondern auch europäisch kontinentaler Sicherheitspolitik bedeute. Aber noch sei die Geschichte nicht geschrieben, und die Entwicklung umkehrbar, wenn die Menschen begreifen, welche kolossale Selbstschädigung sie sich zufügen. Und dann zerstören die Autoren endgültig den Mythos vom „unprovozierten russischen Angriffskrieg“ indem sie feststellen, was jeder Historiker eigentlich ehrlicherweise auch sagen müsste:


„Wir leiten aus amerikanischen Quellen her, dass der russische-ukrainische Krieg ein lang vorbereiteter amerikanischer Stellvertreterkrieg ist, eine Apotheose jahrzehntelanger amerikanischer Geostrategie, deren eigentliches Ziel die Verfestigung der amerikanischen Dominanz in Europa ist.“

Weltsicht der USA und Europas
Guérot und Ritz arbeiten in Teil 1 ihres Essays heraus, wie die Vorstellungen der USA und Europas von Anfang an voneinander abwichen, ohne dass dies aber offen diskutiert worden sei. Sie weisen auf die These vom „Ende der Geschichte“ hin, welche die Kultur und Politik der USA als weltumspannendes Modell ohne Konkurrenz darstelle,
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