Wie geht denn das, wenn Gott in das Leben von Menschen tritt, von ganz Unscheinbaren dazu? So frage ich mich. Diese besondere Geschichte stellt uns vor Augen, wie Gott Advent hält: Lukas nimmt uns hinein in diesen besonderen Austausch dieser zwei einfachen Frauen Elisabeth und Maria über das, was Gott gerade an ihnen tut. Darüber wird Elisabeth zur Seelsorgerin und Maria zur Prophetin. Sie machen uns damit vor, was es bedeutet, Gottes Verheißungen zu vertrauen. So sehr ist Maria von Gottes Eingreifen ergriffen, dass sie ein gewaltiges Loblied anstimmt, genannt „Magnificat“. Sie besingt eine große Wende, die Gott herbeiführen wird. Sie erkennt: Ich selber darf dem Höchsten Wege in seine Welt bahnen. In der nun anstehenden Jahreszeit, gerade inmitten hochkritischer Umstände laden uns diese Worte ein, Gott zu rühmen, wie und weil er Unvorstellbares vollbringen kann. Er wählt sich diese Frauen aus und schreibt durch sie Geschichte. Wir erkennen, dass Er niemanden übersieht. Und wir können damit rechnen: Es wird Advent - und dazu braucht Gott Menschen, die ihm Wege bahnen.
Ich bin beeindruckt und zugleich begeistert, wie der Evangelist Lukas seine Leser auf ein Ereignis von solch einer Größe einstellt, das kein Mensch planen kann: Die Trennung zwischen Gott und uns Menschen wird aufhören. Gott begegnet seinen Menschen in so unerwarteter Weise, dass dies ausführlich vorbereitet sein will, wie in diesem längsten Kapitel im Neuen Testament. Durch die Geburt dieser zwei Kinder geschieht Unvorstellbares: Gegen jede Gesetzmäßigkeiten der Biologie empfangen Elisabeth und Maria ihre Kinder. Maria wird Gott selber in die Welt bringen – Wunder aller Wunder! Gott greift in den Lauf der Welt so ein, indem er sich selbst in sie hineinbegibt. Die Hörer und Leser sollen es glauben: Gottes Rettungsplan für eine verlorene Welt erhält einen Namen, ein Gesicht, eine Stimme. Einige Schneisen dahinein:
Diese bald geborenen Söhne führen eine so prominente Aufgabe aus, dass Gott durch einen Engel alles anbahnen lässt. Nicht irgendwelche Geburten werden angekündigt. Die Mission von Johannes wird sein, „…viele zu Gott“ zu „bekehren.“ Große Wirkung soll er erzielen, wenn sich durch ihn „viele aus dem Volk Israel zu ihrem Gott bekehren.“ Ungehorsame sollen recht handeln; jeder kann seinem Gott neu begegnen und vom Tun des Bösen lassen. Maria wird den Sohn des Höchsten gebären und gibt ihm den Thron Davids. Mit ihm bricht ein Neues an. Endlich wird sich, durch diese Geburten, die Weltgeschichte zum Guten wandeln. Viele von Ihnen haben Kinder in die Welt gebracht; jede Schwangerschaft war anspruchsvoll. Was kommt da auf einen zu? Wie gut, dass Maria Elisabeth aufsucht und fragt: Was bedeutet diese Geburt? Wo wir verunsichert werden, uns traurige Geschichten und Erfahrungen bewegen, da brauchen wir jemanden, der erklärt, ermutigt – zumal wenn etwas ganz Unbekanntes ansteht. Die Bibel hat viele Geschichten, die Hoffnung machen, ganz neue Horizonte öffnen.
Früher sagte man: Eine Schwangere ist „guter Hoffnung“ – denn was da zum Ziel kommen soll, ist positiv. Die Geschichte hindurch wurden viele Kinder in widrigste Umstände hinein geboren. Die junge Maria und die alte Elisabeth schweben zwischen Hoffen und Bangen. Hat ihr Leben und das ihrer Söhne wirklich die Zukunft, wie sie der Engel vorhersagt? Wird Maria verachtet werden, Elisabeth verspottet? Beide lieben ihre in ihnen wachsenden Kinder – aber was wird denen widerfahren? Das Gespräch der beiden bekommt Tiefe, weil Gott in dieser Begegnung selber zu Wort kommt. Elisabeth segnet Maria: „Selig bist du, weil du geglaubt hast!“ Auf uns übertragen: Wenn wir glauben, dass Gott seinen Plan mit uns ausführt, können wir einander vergewissern: Gott kann mich, meine Gegenüber gebrauchen, um auch in Unsicherheit zu vertrauen; er führt mich gute Wege, kennt die Ziele.
Der Evangelist benennt schon Ergebnisse der anstehenden Ereignisse: Menschen werden ausgerichtet, Friedlose auf Friedenswege gebracht. Ungerechte nennen die Kinder beim Namen, rufen zur Umkehr auf. Dafür wird Johannes letztendlich brutal ermordet; Jesu Weg führt in einen bitteren Tod. Beide werden ihr Predigen und Tun mit ihrem Leben bezahlen. Was für gewaltige Aufgaben, welch eine Hingabe, als böse Kräfte sich ihnen entgegenstellen! Johannes gerät über all der Schuld in ernste Zweifel; Jesus wird seinen Vater bitten, ihm seinen schweren Weg zu ersparen. Der erhört diese Bitte nicht. Doch weder böses Tun der Menschen noch der Tod behalten das letzte Wort. Gott erreicht sein Ziel. Von der Krippe führt Jesu Weg nicht nur nach Golgatha, sondern nach Ostern. Daher sind Christen Menschen der Zuversicht: Gott verlässt seine Welt nicht; er vollendet auch mein Leben. Seit seiner Menschwerdung sind wir wiedergeboren zu lebendiger Hoffnung! Statt Abbruch und Ende erwartet auch uns der große Advent. Der wird alles Übel beenden.
Gott erwarten heißt: Weil Gott seine Welt aufsuchen wird, verlieren sich die Frauen und wir mit ihnen nicht in Sorgen. Sie glauben der Botschaft und stärken sich daher gegenseitig. Wenn wir Menschen in kritischen Lagen begegnen, dann ist es so wichtig zu hören, was sie runterzieht. Aber auch zu segnen und aufzurichten. Durch gute Worte, Gebete, Lieder, Anteilnahme. Was wir hören, sagen und tun, darin kann der Höchste ankommen. Er gebraucht uns für seine Ziele.
Die große Wende kommt, die Umwertung aller Werte. Das singt Maria herbei. Ihr Lobgesang wurde oft vertont – weil er alles aussagt, was zählt – nämlich: Gott kommt, um zu heilen und retten. Ihre Bange verfliegt, wenn sie bekennt: „Meine Seele erhebt den Herrn; mein Geist freut sich Gottes meines Heilandes.“ Alles wird in neues Licht gerückt, weil Gott barmherzig ist: Mit Jesu Geburt wird alles gut werden, jubelt sie, so als würde sie eine Antrittsrede halten. Nun gilt nicht mehr Menschenfurcht, sondern Gottesliebe. Die Söhne werden Gewalttäter bloßstellen, Reiche entlarven, Hungernde speisen. Gott nimmt Niedrige wahr, ja er erhöht sie. Nun gelten Ehrlichkeit und Wahrheit viel. Noch ist Israel nicht befreit, sind viele ungesättigt. Noch sitzen Böse auf Thronen, noch erwarten mühselig Beladene Hilfe. Maria verfällt nicht dem Wahn, alles wäre schon neu. Weitsichtig vertraut sie auf Gottes Macht; dieser müssen sich alle Tyrannen beugen. Wir können in unsrer Zeit Gott anflehen, er möge mit seiner Welt seine Ziele erreichen. Maria hat dieses Lied nicht umsonst angestimmt. Singen wir es doch mit; das stärkt unsere oft verwundeten Seelen. Und bringt uns dem Ziel näher, wo einst unser Herr wiederkommt. Danach möchte ich mich neu ausstrecken und Ausschau danach halten.
Autor: Pfarrer Dr. Traugott Farnbacher
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