Das Verhältnis von Alt und Jung in der Bibel ist anders definiert als in unseren modernen Gesellschaften Europas, in denen Familien zu häufig scheitern und auseinanderbrechen. Das Abschieben der älteren Generation wird verurteilt (Spr 19,26; 23,22; 30,17), ist aber auch Realität. Vor allem Witwen und Waisen leben oft am Rande der Gesellschaft, wenn sie nicht versorgt werden. Idealisiert werden weder Lebensstand, noch Alter, auch nicht das oftmals mühsame Zusammenleben der Generationen. Und doch gibt es einen zentralen Unterschied zu unserer Gegenwart: Menschen rechnen mit Gott in ihrem Leben – in jedem Lebensalter. Entscheidend ist, wie jede Lebensetappe gelebt wird. Der Psalm 90 gibt gute Hilfestellungen dafür, wie man mit der Lebenszeit klug umgehen kann; dabei spielt die göttliche Zeitrechnung ebenso eine Rolle wie die Qualität der geschenkten Zeit. »Denn tausend Jahre sind vor dir wie der gestrige Tag, der verging, nur einer Nachtwache gleich.«
(Ps 90,4) Für Gott gibt es kein Gestern und kein Morgen, sondern nur das Heute, die Gegenwart. Für ihn zählt nicht, wie lange ein menschliches Leben währt, sondern welche Bedeutung es hatte und welche Spuren ein Mensch hinterlässt. Der Psalm macht unsere menschlichen Kalender und Uhren ganz klein, aber das Leben eines Menschen groß. »Lehre uns zählen unsere Tage, auf dass wir gelangen zur Weisheit des Herzens.« (Ps 90,12) – diesen Rat gibt der Beter des Psalms. Zur Weisheit des Herzens gehört es, für jeden Tag dankbar zu sein und mit der unberechenbaren Gegenwart Gottes zu rechnen – ob alt oder jung.