Littéramours

Folge 03: Berlin bewegt sich schneller, als ich schreibe


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„In Berlin muss man sein Leben neu erfinden“Als Julien Santoni dies begreift, söhnt er sich aus mit der Hässlichkeit und der Vulgarität der Stadt. Man kann es schließlich mögen, dass Berlin, wie der Philosoph Michel Fœssel bemerkt, „nach nichts aussehen“ will. Die Stadt, „in der man nicht flaniert“, ist durch keine Mauer mehr geteilt, dennoch nehmen die jüngeren zugereisten Schriftsteller*innen und Journalist*innen ebenso wie die Zeitzeugen Edgar Morin und Claude Lanzmann – sie erinnern Berlin noch in Trümmern – die Mentalitätsunterschiede zwischen Ost und West deutlich wahr. Es zieht sie hin zur östlichen Mitte.So oder so, wer Frankreich für Berlin verlässt, sucht bis heute etwas anderes als Schönheit und erwartet wenig Anstand. Für die in Valence aufgewachsene, von einer Karriere als Rocksängerin träumende, jugendliche Kits Hilaire war der Aufbruch nach Kreuzberg eine existenzielle Lebensentscheidung. Wer nicht in der „ranzigen“ französischen Provinz verkümmern und sterben wollte, suchte diffuses Licht in „schwarzen Innenhöfen“ mit zugemauerten Fenstern. Berlin war Punk. Seit den 1990er Jahren verbürgerlicht die Stadt kontinuierlich. Das Unfertige, Disparate, das Aus-der-Zeit-Gefallensein mancher Stadträume  schwindet.„Starkes Empfinden der Verluste, der Irrungen, der Verschwendungen“, notiert Christian Prigent. Er ist einer von 22 Autor*innen, die abseits der ausgetretenen Pfade dem nachspüren, was einen in Berlin nicht zur Ruhe kommen und was uns „den Geruch von Menschheit schnuppern lässt“.Margarete Zimmermann erzählt uns, wie französische Autor*innen sich im neuen (und „alten“) Berlin bewegen und die Stadt als Laborraum für neue Lebensformen genutzt haben. Wir lesen kurze Auszüge aus Texten von Julien Santoni, Michèle Métail und Kits Hilaire.Dorothee Risse & Margarete Zimmermann (Hg.): « Berlin bewegt sich schneller, als ich schreibe. Das Neue Berlin aus französischer Sicht », 206 Seiten. Kulturverlag Kadmos, Berlin 2020Margarete Zimmermann (Hg.): “Ach, wie gût schmeckt mir Berlin. Französische Passanten im Berlin der zwanziger und frühen dreißiger Jahre ». 292 Seiten. Das Arsenal Verlag für Kultur und Politik, Berlin 2010Coup de cœur : Elisa Diallo  « Französisch verlernen ». Aus dem Französischen von Isabel Kupski. 160 Seiten. Berenberg Verlag, Berlin 2021Bibliographie Berlin-AnthologieHélène Bezençon, Berlin, mémoire pendant les travaux. Éditions de l’Éclat: Paris 2008.François Bon, „Berlin, l’île sans mur“, in: net, url:http://www.desordre.net/photographie/berlin/ile_sans_mur.htm.Philippe Braz, Berlin-loin-de-la-mer. Bruit des autres: Limoges 2007.Jean-Yves Cendrey, Honecker 21, Actes Sud: Arles 2009.Jean-Yves Cendrey, Schproum: Roman avorté et récit de mon Mal, Actes Sud: Arles 2013.Oscar Coop-Phane, Demain Berlin. Finitude Éditions: Bordeaux 2013. Übers. von Christian Kolb: Bonjour Berlin, Metrolit: Berlin 2014.Éric Faye, MesTrains de nuit. Stock: Paris 2005.Michaël Fœssel, „Berlin : Voyage aux marges du capitalisme contemporain.“, in: Esprit, vol. 11 (2011), S. 114-126.Kits Hilaire, Berlin, dernière; Flammarion: Paris 1990; ré-édition: Après la Lune: Paris 2019; Berlin – letzte Vorstellung. Abschied von Kreuzberg. Übers. von Barbara Traber. Erpf: Bern 1991.Claude Lanzmann, Le lièvre de Patagonie, Gallimard: Paris 2009; Der patagonische Hase. Übers. von Barbara Heber-Schärer, Erich Wolfgang Skwara und Claudia Steinitz, Rowohlt: Reinbek 2010.Abel Lefranc & Anaëlle Vanel, „Il ne se passera plus rien ici…“, in: Métamorphoses. Les Cahiers de l’École de Blois, numéro 16, 2018, s.p.Michèle Métail, Erfahrungsräume – Configurations de l’expérience, hg. von Kerstin Hausbel/Franck Hofmann/Nicolas Hubé/Jens E. Sennewald, W. Fink: München 2006.Patrick Modiano, L’Horizon, Gallimard: Paris 2010 ; Der Horizont. Übers. von Elisabeth Edl, Carl Hanser: München 2013.Edgar Morin, Mes Berlin 1945-2013, Cherche-Midi: Paris 2013.Serge Mouraret, Carnets d’amour et de haine, L’Harmattan: Paris 2002.Marie NDiaye / Claud
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LittéramoursBy Sigrid Brinkmann


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