Chlorgesänge

Folge 106: Überlebt


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Monika Keck ist im wahrsten Sinne des Wortes ins Leben zurückgeschwommen. Am 26. Dezember 2004 hat die Sozialpädagogin aus Bayern in Thailand, auf einer Halbinsel südlich von Ao Nang den Tsunami überlebt. Und sich nach dieser Flutkatastrophe viele Jahre lang gefragt: Warum mussten über 230.000 Menschen sterben - und ich durfte überleben?

Die Erfahrung, der riesigen Welle gerade noch entkommen zu sein, hat sie viele Jahre traumatisiert. Selbst ins Schwimmbad hat sie sich zunächst nicht getraut, das Geräusch, wenn das Wasser in die Rinne am Beckenrand gurgelt, löste sofort Panik in ihr aus. Doch anstatt zu verzweifeln, begann sie eine Traumatherapie. Und als eine Freundin fragte, ob sie sie nicht beim Schwimmunterricht unterstützen könnte, schaffte sie den Rettungsschwimmer, erst in Bronze, dann Silber und Gold - und wurde Schwimmlehrerin.

Dabei war sie vor der Flutkatastrophe keine große Schwimmerin gewesen. Ab und an ins Schwimmbad, wie die meisten halt. Doch dann begann sie, ein paar Jahre nach dem Tsunami, ihre krebskranke Mutter zu pflegen. Und die war eine leidenschaftliche Schwimmerin, deren größter Wunsch es war, vor ihrem Tod noch einmal schwimmen zu gehen. Geschafft hat sie es leider nicht, das bedauert Monika bis heute. Doch die Gespräche mit ihrer Mutter, die Erfahrungen der Sterbebegleitung, die sie 2015 in ihrem Buch „Noch einmal schwimmen" verarbeitete, gaben ihr die Kraft, sich ihrer größten Angst zu stellen - und noch einmal an den Ort der Katastrophe, nach Thailand zu fahren.

2019 war das, 15 Jahre nach dem Tsunami, rund um ihren 50. Geburtstag. Bis heute hat sie das Gefühl, dass ihr Leben erst danach wieder so richtig begann. „Konfrontationstherapie“ nennt sie es selbst und atmet dabei tief durch. Auch darüber hat sie ein Buch geschrieben: „Welle der Veränderung“, erschienen 2024, zwanzig Jahre nach ihrer schrecklichen Erfahrung. Und noch mehr ist nach ihrem zweiten Besuch in Thailand passiert:

2020 ging sie das erste Mal in ihrem Leben im Freiwasser schwimmen. In Gedenken an ihre Mutter und all die anderen Toten, die sie am Ende ihres Lebens begleitet hat, die in Thailand gestorben sind, die ihr wichtig waren. Und fand schnell Mitstreiter:innen. Denn seitdem organisiert sie jedes Jahr im Sommer das 5-Seen-Schwimmen in Bayern - Weißlinger See, Wörthsee, Pilsensee, Ammersee und Starnberger See, an jedem Wochenende einer. Manch einer schwimmt mit, um der eigenen toten Freunde und Verwandten zu gedenken, andere, um ein Trauma zu überwinden, wieder andere, weil es einfach Spaß macht, immer in Gemeinschaft, nie um die Wette - und vor allem: immer mit Boje.




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ChlorgesängeBy Ute Zill, Martina Schrey