Ein Standpunkt von Hans-Jürgen Geese.
Im Zeitraum der Jahre 2010, 2011 stellte Belgien einen Weltrekord auf. Sage und schreibe 589 Tage lebte das Land ohne eine Regierung. Sie könnten meinen, dass Belgien aus dieser Erfahrung gelernt hätte. Aber nein! Im Dezember 2018 fiel die belgische Regierung über das Thema Migration auseinander. Die Belgier ergriffen die Gelegenheit beim Schopf und schafften es anschließend tatsächlich, nach 652 Tagen ohne Regierung ihren eigenen Weltrekord noch einmal zu verbessern.
Was hatten die Bürger falsch gemacht? Nun, sie hatten gewählt, wie es ihre Pflicht war. In Belgien muss der Bürger zur Wahl gehen. So will es das Gesetz. Die Schuld an dem doppelten Debakel kann also nur bei den Politikern liegen. Sie hatten durch die Wahl von den Bürgern zwar den Auftrag erhalten, das Land zum Wohl aller zu regieren. Es stellte sich allerdings heraus, dass die Politiker nicht einmal in der Lage waren, eine Regierung zu bilden. Auf die Idee, sich vorrangig um das Wohl des Landes und der Bürger zu kümmern, waren sie nicht gekommen. Sie kümmerten sich erst einmal um sich selbst und um ihre Parteien. Wenn Sie je ein Beispiel der Bankrotterklärung von Demokratie im extrem brauchen, hier wurde es Ihnen geliefert. Demokratie als Selbstbedienungsladen für Politiker, deren Interessen vor allen anderen Interessen bestehen.
Der „Normalbürger“ wundert sich eigentlich nur noch in Verachtung: „Dass die sich nicht schämen!“ Wie man so sagt: Du brauchst als Politiker eine dicke Haut. Menschliche Gefühle, Anstand, Stolz ausblenden zu können und die Idee vom Gemeinwohl zu vergessen ist eine Grundvoraussetzung für den Job. Es geht in der Politik nicht um die Menschen im Lande. Es geht vorrangig um die Parteien, und es geht um bestimmte wirtschaftliche Interessen. Sind Wahlen also sinnlos?
Wutbürger
Ich zitiere Wikipedia: „Der zuvor kaum verwendete Begriff wurde durch den Essay „Der Wutbürger“ des Journalisten Dirk Kurbjuweit in der Ausgabe der Zeitschrift „Der Spiegel“ vom 11. Oktober 2010 geprägt. Darin wird er als Angehöriger eines bürgerlichen Milieus beschrieben, der „mit der bürgerlichen Tradition“ gebrochen und der Politik die Gefolgschaft aufgekündigt habe. Bei dem von ihm beschriebenen Personenkreis handele es sich vornehmlich um eine ältere und wohlhabende konservative Personengruppe, die sich mit „Wut“ und „Empörung“ gegen als Willkür empfundene politische Entscheidungen wende und sich durch einen ausdauernden Protestwillen auszeichne.“
Der Begriff schaffte es in den Duden und wurde 2010 sogar zum Wort des Jahres gewählt. Dabei ist der Wutbürger doch sicherlich Demokrat, der brav seine bürgerlichen Pflichten als Wähler erfüllt. Und trotzdem echauffiert sich dieser Mensch? Als Demokrat? Was ist denn da schief gelaufen? Wir fragen noch einmal: Sind Wahlen sinnlos? Aber das kann und darf ja wohl nicht sein. Das wäre doch die Bankrotterklärung der Demokratie schlechthin, oder etwa nicht?
Bundestagswahl 2021
Wir alle kennen das Ergebnis. Die aktuelle deutsche Regierung besteht aus einer Koalition von SPD, Grüne und der FDP. Obwohl diese drei Parteien zusammen bei der letzten Bundestagswahl im Jahre 2021 insgesamt nicht mehr als 38,3 % der Stimmen der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger erhielten. Von Mehrheit keine Spur. 38,3 %! Sie meinen ich phantasiere? Hier ist der Beweis:
Wahlberechtigte: 61.181.072 SPD: 12.234.690 Stimmen = 20 % FDP: 4.042.951 Stimmen = 7,7 % Grüne: 6.469.081 Stimmen = 10,6 %
Macht in Summe 38,3 %. Wobei ich eine kleine aber wichtige Korrektur im Vergleich zum offiziellen Wahlergebnis vorgenommen habe. Ich habe die Nichtwähler auch als Wähler gerechnet. Denn Nichtwähler, deutsche Bürgerinnen und Bürger, haben die Wahl, Entscheidung getroffen, dass niemand da auf der Wahlliste ihre Interessen vertritt. Oder dass das System als ganzes es nicht wert sei,