Ein Kommentar von Rainer Rupp.
In meiner Tagesdosis von letzter Woche bin ich kurz auf einen Artikel der britischen Professorin Helen Thompson in der Financial Times (FT) vom am 19. August 22 eingegangen. Frau Thompson lehrt Politische Ökonomie an der University of Cambridge und ist keine Unbekannte. Die neo-liberale ausgerichtete Financial Times ist ein rund um den Globus gelesenes Organ der Geschäftswelt. Politisch folgt die FT in der Regel der britischen Regierungslinie und steht hinter den besonders engen Beziehungen zwischen London und Washington. Das drückte sich auch in der bisherigen Berichterstattung über Russland und die Ukraine aus, in der sie einen streng anti-russisch Kurs verfolgt, nach dem Motto, die Ukraine-muss-gewinnen. Und genau deshalb hat der Artikel von Prof. Thompson in der FT überall so große Aufmerksamkeit erregt.
Der nüchterne Realismus, mit dem Prof. Thompson die Ukraine-Krise analysiert, unter Weglassung der politisch korrekten, anti-russischen Vorurteile, macht ihren Artikel so aufregend. Denn er bricht nicht nur mit der bisherigen Line der Financial Times, sondern auch mit dem in Deutschland ständig wiederholten Mantra, dass die Wirtschaft Russlands wegen der westlichen Sanktionen am Boden liegt. Als angeblichen Beweis dafür hatten jüngst nochmal die öffentlich-rechtlichen Propagandaorgane der Bundesregierung uns vorgerechnet, dass der Einbruch des russischen Bruttoinlandproduktes BIP im ersten Halbjahr 2022 um ein Vielfaches stärker war als in Europa oder Deutschland.
Natürlich hatte der plötzliche Rückzug von Hunderten westlicher Firmen aus Russland und die Unterbrechung von Lieferketten eine Schockwirkung auf die russische Wirtschaft. Im März 2022 erwarteten erste Hochrechnungen einen Einbruch des BIP von bis zu minus 14 Prozent für das laufende Jahr. Inzwischen sind diese Hiobsbotschaften auf -4 Prozent korrigiert worden, denn die Inflation in Russland ebenso die hohen Leitzinsen der russischen Zentralbank rasant gefallen, die Währung ist super-stabil, die produzierende Wirtschaft hat sich erholt und liegt in vielen Branchen schon wieder auf dem Niveau von vor Beginn der russischen Spezialoperation in der Ukraine.
In Russlands Wirtschaft regiert der Optimismus, neue Lieferquellen wurden gefunden, die von Westfirmen verlassenen Läden, Fabriken und Dienstleister haben Nachfolger gefunden, die die Geschäfte von IKEA, McDonalds Hamburger, Coca Cola und Hunderte andere Firmen weiterführen. Diese Nachfolger kommen entweder aus Russland oder aus dem befreundeten Ausland wie aus China, der Türkei oder Indien. So hat kürzlich z.B. ein indischer Lebensmittelkonzern in Russland „für’n Appel und en Ei“ eine Supermarktkette übernommen, von der sich eine West-Firma auf Grund der westlichen Sanktionen mit Verlust zurückgezogen hatte.
Auch die Freude der westlichen Wirtschaftskriegstreiber über den Einbruch der russische Autoproduktion in den ersten Monaten der Sanktionen, war nur von kurzer Dauer. Denn die Russen konnten die Micro-Chips, die bis dato von kooperierenden westlichen Autofirmen geliefert wurden, mit Lieferungen aus China ersetzen. Vor ein paar Wochen hat die russische Autoproduktion wieder ihr „Vor-Wirtschaftskriegsniveau“ erreicht. Zugleich hat der Rückzug westlicher Autoproduzenten den guten und preiswerten Klein- und Mittelklassewagen aus China zum Durchbruch auf dem russischen Markt verholfen.
Über all dies berichten die öffentlich-rechtlichen Propagandaorgane der Bundesregierung nicht, denn das würde nur eine weitere Seite der bodenlos dummen Selbstmord-Sanktionen der EU beleuchten. Denn die westlichen Sanktionen sind alles andere als nachhaltig. Sie haben nur einen kurzfristigen Schock verursacht. Alles was Russland aus dem Westen bezogen hat, braucht es entweder nicht oder es kann sich die Sachen woanders beschaffen. Die russische Bevölkerung kann recht gut ohne französischen Käse oder Parma-Schinken aus Italien oder Kosmetik und Luxusartikel v...