Ein Kommentar von Rainer Rupp.
Es wird vielfach behauptet, dass der Westen von Anfang an ziemlich ratlos war und keine kohärente Strategie für die Situation in der Ukraine gehabt habe. Das stimmt nicht. Denn wenn man die Entwicklung in der Ukraine analysiert, kann man dahinter sehr wohl eine längerfristige Strategie des Westens erkennen, die die typischen US-Handlungsmuster zur Destabilisierung fremder Länder und für den Umsturz von Regierungen aufweist, wobei diesmal die russische Regierung das Ziel war.
Aber das ursprüngliche US/NATO-Kalkül ist nicht aufgegangen. Auf Grund der tatsächlichen Entwicklungen in der Ukraine hat sich daher im Westen zunehmend Ratlosigkeit breitmacht.
Noch vor vier Monaten war man in den politischen Führungsspitzen in Washington, in London, in Brüssel und auch bei der neuen Ampel-Koalition der Bundesregierung und ihren Beratern in Berlin mit ziemlicher Zuversicht davon ausgegangen, dass die Russen in der Ukraine militärisch überfordern und zugleich unter dem Druck der umfassendsten und schlimmsten Wirtschafts- und Finanzsanktionen seit Ende des Zweiten Weltkriegs zusammenbrechen würden. In dem so entstehenden gesellschaftlichen Chaos würde dann das ungeliebte "Putin-Regime" von der desillusionierten russischen Bevölkerung hinweggefegt.
Aber die westlichen Kriegsherren haben zu kurz gedacht. Die Entwicklung war komplett andersherum als geplant. Nach einer anfänglich starken Startposition der Ukraine mit dem gelungenen Maidan-Putsch im Jahr 2014 steht seit Beginn der russischen Militäroperation zur Demilitarisierung und dringend notwendigen Entnazifizierung der Ukraine heute der gesamte Westen ziemlich hilflos da.
Es sind die westlichen Regierungen, die heute ökonomisch und militärisch überfordert sind, und das nicht nur wegen der russischen Operation in der Ukraine. Die galoppierende Inflation, die Energieknappheit, prekäre Versorgungen mit Dünge- und Nahrungsmitteln, Lieferengpässe in fast allen anderen Rohstoff- und Halbwaren-Bereichen sowie starke Anzeichen für einen neuen Börsen-Crash und das Platzen der gigantischen Finanzblase im Westen sind zum großen Teil selbst verursacht, auch wenn jetzt die Schuld für alles auf "Putin" abgewälzt wird.
Derweil wächst in der westlichen Gesellschaft angesichts der selbstzerstörerischen Außen- und Wirtschaftspolitik und der nicht selten infantilen Inkompetenz der eigenen Regierungen die Unruhe. Diese müssen sich zunehmend Sorgen um die Stabilität in ihren eigenen Ländern machen, während in Russland die Wirtschaft wieder wächst, die Inflation rapide fällt und der Rubel zu einer der stärksten Währungen der Welt geworden ist.
Mit ihren außerordentlich schweren Wirtschaftssanktionen hatten die Regierungen der westlichen Un-Wertegemeinschaft gehofft, dass die russische Wirtschaft in diesem Jahr um 15 bis 20 Prozent zusammenbrechen würde. Die Russen selbst waren vor drei Monaten in ihren Prognosen noch von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 7,5 Prozent ausgegangen. Da inzwischen die russische Wirtschaft wieder zu brummen angefangen hat, geht man in Moskau für das ganze Jahr 2022 nur noch von einem Rückgang des Wirtschaftswachstums von drei bis vier Prozent aus.
Und was das US/NATO-Ziel der Destabilisierung der russischen Gesellschaft betrifft, so liegen sie auch diesbezüglich total daneben. Präsident Putins Rückhalt in der Bevölkerung ist einmalig stark. Die Zustimmung zur Politik des Kremls liegt je nach Umfrage bei plus/minus 80 Prozent. Man vergleiche dieses Ergebnis mit dem der politischen Knalltüten im Westen.
Zurück im Jahr 2014, als die USA und ihre europäischen Vasallen mithilfe faschistischer Gewaltextremisten beim blutigen Maidan-Putsch die bisher neutrale Ukraine übernahmen und politisch, militärisch und wirtschaftlich quasi in die NATO annektiert hatten, sah der vereinte Westen in der Ukraine ein außerordentlich effektives Druckmittel gegen Russland.